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der Versuch Heinrich’s, auch den Kronprinzen Gustav von seiner Vorliebe für den Versailler Hof zu bekehren und auf die Seite der russenfreundlichen Mützen hinüberzuziehen.

Unter solchen Umständen wird man wohl annehmen dürfen, dass König Friedrich sich ausschliesslich von politischen Beweggründen leiten liess, wenn er seinen Neffen Karl von Schweden, einen jüngeren Bruder Gustav’s, gelegentlich eines Besuches in Berlin (Ende October 1770) nicht nur mit ausgesuchter Zuvorkommenheit empfing und mit den schmeichelhaftesten Auszeichnungen überhäufte, sondern auch in mehreren Unterredungen mit demselben eine seinen sonstigen Gepflogenheiten wenig entsprechende, joviale Vertraulichkeit zur Schau trug[1]. Freilich scheinen weder die geflissentlichen Ehrenbezeugungen, die er an seinen jugendlichen Neffen verschwendete, noch auch die offenherzigen Ermahnungen, die er durch dessen Mund der Stockholmer Königsfamilie übermitteln liess, etwas gefruchtet zu haben. Denn schon nach einigen Wochen musste der in der Schwedischen Hauptstadt beglaubigte, interimistische Preussische Geschäftsträger Behnisch melden, es sei ihm von den verschiedensten Seiten hinterbracht worden, dass der Kronprinz während seines Pariser Aufenthaltes mit dem dortigen Hofe im Namen seiner Eltern wegen der Ueberlassung einer grösseren Summe „zur alleinigen Disposition“ derselben verhandeln solle[2].

Am 5. November hatte Gustav Stockholm verlassen und sich

    nous dit plus rien des lettres de ce Prince, qui pourtant sont assez fréquentes. Mais en toute occasion j’entends son indulgence augmenter pour tout ce qui regarde l’Impératrice“. Fersen glaube sogar an „quelque intelligence qui pourrait avoir lieu entre la Reine et le système russe par le canal du Prince Henri“. – Malmström VI, 217 ist der Meinung, die Insinuationen Heinrich’s seien alle vergeblich gewesen. Dem widerspricht jedoch der von Solovjev XXVIII, 189 f. auszüglich mitgetheilte, hochinteressante Bericht Osterman’s über eine Unterredung mit dem Preussischen Prinzen in Stockholm.

  1. Prinz Karl hat den Inhalt der Unterredungen mit seinem Oheim eigenhändig aufgezeichnet. Eine Schwedische, in Deutschland unbekannt gebliebene Uebersetzung des Französischen Originals bei Schinkel, Minnen ur Sveriges nyare historia. Bihang I, 1–12 (Upsala, 1880). Die Echtheit der Aufzeichnungen Karl’s ergibt sich aus den Worten Friedrich’s an Heinrich, 26. October: „Demain le neveu de Suède repart d’ici à Stockholm. Je l’ai lesté de compliments et d’avis“. Oeuvres XXVI, 329.
  2. Behnisch, 8. Januar 1771.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_109.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)