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befunden, so wäre den Augen Europas das traurige Schauspiel eines von Russischen Creaturen regirten Königthums Schweden vielleicht nicht erspart geblieben. Allein sein Nachfolger, in dessen Adern das feurige Blut der Hohenzollern und Wasa pulsirte[1], war von einem anderen Schlage, wie er durch den kühnen Staatsstreich vom 19. August 1772 deutlich bewies.

Es ist nicht unsere Aufgabe, wie anziehend es auch erscheinen möchte, hier des Weiteren auszuführen, wie der Revolutionsplan allmählich eine feste Gestalt gewann, wie er fast bis zur letzten Minute den gefährlichsten Wechselfällen unterworfen war, wie er schliesslich in glänzendster Weise ohne einen Schwertstreich, ohne Blutvergiessen gelang[2]. Wohl aber müssen wir uns die Frage vorlegen: Wie war es möglich, dass Preussen, Russland und Dänemark, die Hüter der Regierungsform von 1720, den kläglichen Zusammenbruch ihres Systems nicht verhindern konnten, sondern es ruhig mitansehen mussten, dass die anscheinend so felsenfest gefügte Adelsherrschaft in Schweden unter dem Jubel der Stockholmer Bevölkerung ruhmlos zu Grabe getragen wurde?

Nach der Rückkehr Gustav’s in seine Schwedische Heimath hatte sich zwischen ihm und seinem Oheim eine lebhafte Correspondenz entsponnen, theils über die täglich wachsenden Reibereien zwischen dem Schwedischen Monarchen und seiner Mutter, der verwitweten Königin, theils über die Hindernisse, welche Osterman und die Mützen der geplanten Beseitigung des Schwedischen Parteihaders in den Weg legten. Zweifelsohne bewährte sich der Preussische König in jenen Tagen als ein aufrichtiger Freund der Schwedischen Königsfamilie. Redlich bemühte er sich, die Eintracht im Schoosse derselben wieder herzustellen, anfangs durch schriftliche Ermahnungen, später, während des vorübergehenden Aufenthalts seiner Schwester in Berlin (Anfang December 1771 bis Anfang August 1772), auch durch mündliche Vorstellungen[3]. Sorgfältig vermied er jede Einmischung in die

  1. Am 10. Juli 1770 schreibt Gustav an K. Scheffer (Upsala Bibl.): „Le sang de Brandebourg que j’ai reçu de la Reine, est vif; et pour celui de Wasa, on doit le connaître“.
  2. Eine ausführliche Darstellung bei Malmström VI, 249–454 und Odhner I, 22–160.
  3. Gustav an Friedrich, 2., 8. u. 14. Juni; Friedrich an Gustav, 30. September
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_116.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)