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Am 24. Oct. in Prag, 63 J. alt, Prof. Dr. Anton Gindely. Geboren am 3. Sept. 1829 in Prag, seit 1862 Prof. an der dortigen Dt. Universität, zugleich Böhmischer Landesarchivar, war er auch in seiner wissenschaftlichen Thätigkeit stark von den Böhmischen Verhältnissen beeinflusst. Im Mittelpunkt seiner Studien standen die Böhmische Geschichte des 16. u. 17. Jahrh. und der in die Böhmische Entwicklung so tief eingreifende 30jähr. Krieg. Für diese seine Studien aber hat er die Archive eines grossen Theiles von Europa bereist, und auf einer umfangreichen archival. Ausbeute sind die meisten seiner Publicationen aufgebaut. Gegen seine Arbeitsmethode in den grösseren Werken ist wohl manches eingewendet worden. Man hat Formlosigkeit und Abhängigkeit von den Zufälligkeiten des Materials getadelt, und Fachgenossen, die ihm nacharbeiten, finden, dass seine Archivbenutzung mehr extensiv als intensiv gewesen sei. Beide Klagen sind gewiss nicht unbegründet, aber wie sehr sie auch künftig das abschliessende Urtheil beeinflussen mögen, bedeutend bleibt doch die Summe dessen, was G. geleistet, die Fülle der Aufklärung, die nicht nur durch den Fleiss des Archivbenutzers, sondern auch durch den Scharfsinn des Forschers gewonnen ist. Sein Hauptwerk, die G. d. 30jähr. Krieges (4 Bde. 1869–80), ist bekanntlich unvollendet geblieben, der letzte Halbband reicht bis 1623; eine populäre Darstellung des ganzen Krieges veröffentlichte er 1882 in 3 Bändchen unter dem Titel „Illustrirte G. d. 30jähr. Krieges“. Vorausgegangen waren mehrere grössere Vorarbeiten, die „G. der Böhm. Brüder“ (1856–57), die „G. d. Ertheilung d. Böhm. Majestätsbriefes von 1609“ (1859) und „Rudolf II. u. s. Zeit“ (1862–65), ferner das Quellenwerk „Monumenta hist. Bohemica“ (4 Th. 1864–67), das die Jahre 1618–23 umfasst. Im Fortgang seiner Forschungen zur G. des grossen Krieges kam er zu einer scharf verurtheilenden Ansicht über Wallenstein; sein Buch über „Waldstein während seines 1. Generalats“ (2 Bde. 1886) rief u. a. eine Polemik zwischen ihm und H. Hallwich hervor, der zwei kleine Streitschriften ihren Ursprung verdanken. Es standen hier die Czechen-freundliche und die Deutschnationale Auffassung einander gegenüber. Er veröffentlichte ferner: Dogmat. Ansichten der Böhm.-Mähr. Brüder (in den SBWAk 1854), Ueber Comenius (ebd. 1855), Beitrr. z. G. d. Zeit Rudolfs II. (ebd. 1856), Quellen z. G. d. Böhm. Brüder (Fontes rer. Austr. 1859), Der 1. Oesterr. Reichstag zu Linz 1614 (SBWAk 1862), G. der Böhm. Finanzen 1526–1618 (Denkschrr. d. Wiener Ak. 1868), Berr. über die Schlacht auf dem Weissen Berge (1877), Entwicklg. des Böhm. Adels (Abhh. d. Böhm. Ges. 1886), Processirung der Häretiker in Böhmen unter Karl VI. (ebd. 1887), Maritime Pläne der Habsburger (Denkschriften 1890), Waldstein’s Vertrag mit dem Kaiser (Abhh. der Böhm. Ges. 1889). Seine letzte grosse Publication waren die „Acta et documenta Gabr. Bethlen“, hrsg. im Aufträge der Ungar. Akademie (1890). Neben diesen erwähnenswerthesten Arbeiten stehen noch Zeitschriftenaufsätze in grosser Menge; auch vielgebrauchte Schulbücher sind von ihm verfasst. Vgl. den Nekrolog von J. Jung in AZtg ’93, Nr. 9.

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Am 1. Nov. in Tölz, 50 J. alt, F. A. Heller v. Hellwald. Ursprünglich Oesterr. Officier, dann zu geograph. und culturhistorischen Studien übergegangen, 1871–82 Redacteur des „Ausland“, hat er eine grosse

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_371.jpg&oldid=- (Version vom 4.3.2023)