Seite:De DZfG 1893 10 032.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Am 19. Oct. 439 eroberte Geiserich durch plötzlichen Ueberfall mitten im Frieden die alte Hauptstadt Afrikas, Karthago; „das war gewiss ein Act perfidester Vertragsverletzung, aber die Wegnahme der Hauptstadt des Landes war auch für Geisarix unbedingt nothwendig, wenn er sich fernerhin behaupten wollte: denn er musste erwägen, welch’ ein gewaltiger Gegner ihm in Aëtius gegenüberstand, und dass der Römische Hof seine Ansprüche auf das entrissene Land aufrecht hielt“[1]. Ein erneuter Aufschwung der Vandalischen Macht, aber auch neue Leiden der katholischen Bevölkerung, zumal des Adels und der Geistlichkeit, waren die Folgen dieses wichtigen Ereignisses. Seit Karthago die Residenzstadt der Vandalischen Könige ist, spiegeln sich die Beziehungen der letzteren zu ihren katholischen Unterthanen überhaupt und zu den beiden Kaiserhöfen, bezw. seit Odovakar zu Ostrom allein, in ihrer Stellung zur Kathedrale, zum Bisthum Karthago. Die katholischen Oberhirten des letzteren waren, wenn auch nicht formell, so doch thatsächlich die Primaten des Afrikanischen Episcopates – es erhellt dies z. B. aus den zur Zeit des vorletzten Vandalenkönigs Hilderich stattfindenden Afrikanischen Synoden, ausserdem erkannten sie stets auch den Römischen Primat an (vgl. Victor Vitensis II c. 15 ed. Ruinart, II c. 43 ed. Petschenig)[2]; in diesen Verhältnissen lag also Grund genug zu politischem Misstrauen für die Vandalenkönige.

Man darf sich also nicht wundern, dass Geiserich gleich nach der Einnahme Karthagos den dortigen Bischof und einen grossen Theil seines Klerus verbannte und auf zerbrechlichen Fahrzeugen den Wogen des Mittelmeeres preisgab. Aber Quodvultdeus entging den grausam verschärften Gefahren der Seereise und gelangte glücklich nach Neapel. Wenn ferner berichtet wird, dass Geiserich manche Kirchen intra et extra muros seiner

    Geiserich und Valentinian bestehenden Freundschaft übertriebene Vorstellungen: Γιζέριχος – – – Ὁνώριχον τὸν παῖδα [diesen hatte der König bei Abschluss des Friedens als Geisel stellen müssen] τῆς φιλίας αὐτοῖς ἐς μέγα χωρούσης ἀπέλαβεν.

  1. Pötzsch a. a. O. p. V; s. auch Auler a. a. O. 265 f. und Stadler von Wolffersgrün a. a. O. p. 22 f.
  2. „– – – ecclesia Romana, quae caput est omnium ecclesiarum“ (Worte des Karthagischen Bischofs Eugenius!).
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_032.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2023)