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der folgenden Untersuchungen hier eine gedrängte Erwähnung verdienen. Geiserich wusste nämlich die Verwirrung, die nach der Ermordung Valentinian’s (455) im Weströmischen Reiche herrschte, meisterhaft für seine Pläne auszunützen. Im genannten Jahre zog er bekanntlich als Sieger in die alte Königin der Welt ein, plünderte sie 14 Tage lang und kehrte mit unermesslicher Beute an Gold, Silber und Gefangenen nach Karthago zurück. Unter den Gefangenen befanden sich auch die Wittwe Valentinian’s, Eudoxia und deren beide Töchter Eudocia und Placidia; erstere wurde mit Geiserich’s Sohn Hunerich vermählt[1]. Wichtiger noch war eine weitere Folge der durch das tragische Ende Valentinian’s herbeigeführten Wirren. Um 455 vereinigte Geiserich alle die Provinzen Afrikas mit seinem Reich, welche der Friedensvertrag von 442 dem Kaiser noch gelassen hatte, nämlich die drei Mauretanien, Westnumidien nebst Cirta und Tripolis. Der Vandalenkönig stand jetzt im Zenith seiner Macht; denn von da ab gebot er über die gesammte Küste von Nordafrika von den Säulen des Herkules bis zur Westgrenze Cyrenes: mit diesem Erfolge noch nicht zufrieden, besetzte der Meerkönig damals auch die hervorragendsten Inseln im westlichen Becken des Mittelmeeres, Sicilien, Sardinien, Corsica, die Balearen und Pithyusen (vgl. Victor Vit. I, c. 4 bezw. I, c. 13)[2].

Auch die Mauren, die halbwilden Nomaden am Südsaume der langgestreckten Nordafrikanischen Küste, geriethen jetzt, wie es scheint, in eine grössere Abhängigkeit von den Vandalen. In dem Umstand, dass diese nie der Inferiorität jener Stämme den Römern gegenüber gleichkam und sofort nach Geiserich’s Ableben von beständigen Empörungen abgelöst wurde, liegt auch eine Hauptursache des schnellen Verfalles der Vandalischen Macht.

Im Jahre 457, nach dem Tode des Bischofs Deogratias, begann Geiserich die Katholiken von Neuem zu befehden und eröffnete diesen zweiten Cyklus seiner Verfolgungsacte mit dem

  1. Vgl. Prosp. Tiron. epit. chron. ad a. Chr. 455, ed. Mommsen S. 483 f., Vict. Vit. I c. 8 bezw. I c. 24–27. Excerpta ex Prisci Hist. c. 7. 10. 14 p. 157. 216. 218 f., Procop, Bell. Vand. I c. 5 nebst den gründlichen Erläuterungen von Jos. Langen a. a. O. p. 87 und Stadler von Wolffersgrün a. a. O. p. 29–33.
  2. „Post cuius (Valentiniani) mortem (Geisericus) totius Africae ambitum obtinuit, nec non et insulas maximas Sardiniam, Siciliam, Corsicam, Ebusum, Maioricam, Minoricam uel alias multas superbia sibi consueta defendit.“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_038.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2023)