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Meinung zu Gunsten Napoleon’s aufrichten, ihn bestimmen, seinen Ton zu verstärken und würde das allergrösste Unglück sein. Nicht dass in den Kriegsoperationen an sich auch nur im Mindesten nachgelassen werden dürfte, die Art, wie Napoleon die Friedensgrundlagen angenommen hat, gebietet im Gegentheil, sie mit der allergrössten Wucht zu fördern, aber es scheint, dass wir die Operationen zunächst auf unserem rechten Flügel mit der allergrössten Kraft zu betreiben haben, weil dies durch den Wunsch der Deutschen links vom Rhein, der Völker von Belgien und Holland und durch nach dieser Seite schon ergriffene Massregeln gefordert wird. Dort wird die Jahreszeit uns nicht hemmen, sondern fördern sogar; dort wird Napoleon keine zwingenden Gründe finden, um die Franzosen zu ihrer eigenen Vertheidigung aufzurufen; denn in das alte Frankreich treten wir ja nicht ein. Dort nähern wir uns der Hilfeleistung Englands und unseren Verbindungen mit ihm, seinen Vorräthen an Schiessbedarf und Lebensmitteln; dort können wir auf rasche Erfolge hoffen und haben im Fall eines Unglücks eine gesicherte Rückzugslinie. Wäre nach all’ diesem nicht das beste: Eine starke Defensive auf unserer Linken und in der Mitte; eine rasche und kraftvolle, gut berechnete Offensive auf unserer Rechten?“

Wir haben diese Ausführung ganz hierhergesetzt, weil sie, obwohl längst bekannt, noch bei keinem Historiker die Würdigung gefunden hat, die ihr zukommt. Zunächst ist sie eine wichtige Urkunde über den Grund, der den König Friedrich Wilhelm bestimmt hat, sich am 7. December gegen den sofortigen Rheinübergang auszusprechen. Dieser Grund lag nicht, wie man seit Müffling (Aus meinem Leben, S. 78/79) annahm und annehmen musste, in dem heissen Verlangen nach einem faulen Frieden und dem Wahn, dass ein solcher in Frankfurt erreichbar gewesen wäre. – In Holland forderte er ja die unmittelbare Fortsetzung des Krieges ganz ausdrücklich und von den Verhandlungen mit Napoleon erwartete auch er, ganz wie alle Uebrigen, lediglich eine Abweisung, die sich bei dem Friedensverlangen Frankreichs selbst als eine Waffe gegen ihn verwenden liess. Aber ein Rheinübergang, während die Schweiz unter dem Namen Neutralität in den Händen Napoleon’s blieb, das war, was er mit vollem Recht durchaus nicht haben wollte, und dass dieses ganz ernstlich der Plan Alexander’s war,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_236.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)