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Verbündeten, dass diese Neutralität geachtet werde. Erst diese Wendung führte neue militärischen Pläne und ernste politische Meinungsverschiedenheiten herbei. Radetzky nahm den Gneisenau’schen Gedanken eines Rechtsabmarsches durch die Freigrafschaft nach Langres auf, Gneisenau entwarf einen Einmarschplan, bei welchem ein Durchzug durch die Schweiz zunächst ganz in Wegfall kam, Knesebeck erklärte sich gegen jeden Rheinübergang überhaupt, so lange die Neutralität der Schweiz von Seiten der Verbündeten geachtet würde, Fürst Metternich aber begann im Einverständniss mit Kaiser Franz und Fürst Schwarzenberg den glänzenden militärisch-politischen Feldzug, durch welchen die Neutralität der Schweiz mit Einwilligung der Schweizer selbst ganz geräuschlos aufgehoben und das Veto des Kaisers Alexander’s thatsächlich ausser Kraft gesetzt ward. Wenn damit unstreitig ein gewisser Zeitverlust verbunden war, so hatte ihn einzig und allein Kaiser Alexander, nicht aber irgend Jemand von der sogenannten „Friedenspartei“ verschuldet.

Für Napoleon aber war dieser Zeitverlust noch lange nicht gross genug. Bignon bezeugt den Verbündeten, dass sie für Napoleon, wie er selbst sagt, immer noch um zwei Monate zu früh nach Frankreich gekommen sind. „Im Augenblick, da der Festungsausschuss Pläne entwarf für die Vertheidigung des Jura und der Vogesen, waren diese Uebergänge schon theils gewonnen, theils umgangen“[1]. Den Plan aber, durch die Schweiz in Frankreich einzubrechen, der in Deutschland so viel Spott und Tadel gefunden hat, kann man gar nicht wirksamer rechtfertigen, als mit den Worten, in welchen Bignon die Bestürzung seines Herrn und Meisters über die Ausführung desselben geschildert hat. „Der Einbruchsplan, sagt er[2], den die Verbündeten befolgt haben, wäre der Gipfel der Vermessenheit und Tollheit gewesen (le comble de la témérité et de la folie), wenn sie nicht genau gewusst hätten, wie wenig Streitkräfte wir ihnen entgegen setzen konnten. Indem sie zur Blokade der festen Plätze neu ausgehobene Landwehren verwendeten, schoben sie in Eile ihre besten Truppen vorwärts auf Paris. Sie hatten anfangs vor, ein beträchtliches Corps durch die Schweiz zu schicken, um sich der Militärstrasse des Simplon

  1. Histoire de France sous Napoléon I. XII. 17.
  2. Ebda. S. 224 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_256.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2023)