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Zur Frage des Denkmälerschutzes, die oben Nr. 464 in den Verhandlungen des Gesammtvereins eine Rolle spielt, ist zu erwähnen, dass in den Preussischen Provinzen nach Einberufung der Provinz-Commissionen in allen grösseren Orten Kunstfreunde und Kenner f. Berichterstattung und Mitarbeit gewonnen werden. – Die von uns erwähnte Uebersicht über die bisherigen Inventarisationsarbeiten steht auch im KorrBlGV 41, 33–34, ein Artikel von H. Ermisch, Die Fürsorge des Staates für die Erhaltung von Denkmälern der Vergangenheit, in der Lpz. Ztg. Beil. ’93, Nr. 153. – Auch der Oldenburg. Landtag hat die Mittel für die Inventarisirung der Kunst- und geschichtl. Alterthümer des Grossherzogthums bewilligt; mit ihrer Ausführung ist Archivrath Dr. G. Sello beauftragt worden, der bereits seine Arbeit mit Amt und Stadt Wildeshausen begonnen hat. – Zur Erhaltung der Ruinen des Heidelberger Schlosses hat die Badische Ständekammer 250,000 M. bewilligt. Wiederherstellungspläne sind dabei ausgeschlossen.

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Universitäten. Ein Seminar für historische Hilfswissenschaften ist in Marburg in Gründung begriffen. Die von Prof. P. Kehr ausgehende Anregung soll beim Director des Preuss. Staatsarchivs Geh.-R. v. Sybel und beim Decernenten im Cultusministerium Geh.-R. Althoff besonders thatkräftige Unterstützung gefunden haben. Die Dotation des neuen Instituts hat die Preuss. Archivverwaltung übernommen, die vorgesetzte Behörde aber wie die aller Univ.-Institute wird das Cultusministerium sein. Director des Seminars wird Prof. P. Kehr, bekanntlich ein Schüler des Wiener Instituts. Derselbe wird die erforderlichen diplomat., paläographischen, chronologischen etc. Vorlesungen halten und die Anschaffung des nöthigen Apparats an Urkunden-Facsimiles etc. besorgen. Ausserdem wird Archivrath G. Könnecke, Vorstand des Marburger Staatsarchivs, Vorlesungen über Archivkunde halten und in den Räumen des Archivs praktische Uebungen leiten. Der nächste Zweck der Einrichtung soll sein, den bisherigen Mängeln in der Vorbildung der Archivbeamten abzuhelfen. Für die histor., philolog., jurist. und nationalökonom. Fächer sorgen wie anderswo die regelmäss. Vorlesungen der Universität, nur dass man in Marburg anscheinend auf einen regelmässigen Turnus besonderes Gewicht legen will. Es soll zugleich auch ein besonderes Examen für Archivaspiranten eingeführt werden, das in Marburg vor einer besonderen Prüfungscommission abzulegen wäre, und dieses Examen soll ausschliesslich zum Eintritt in den Preussischen Archivdienst berechtigen. So die Pläne, deren Ausführung freilich noch nicht ganz sicher ist. – Es liegt dem Project, obschon es sich zunächst an die Bedürfnisse des Archivdienstes anschliesst, der Wunsch zu Grunde, etwas dem Wiener „Institut“ oder der Pariser „Ecole des Chartes“ Aehnliches zu schaffen, ein sicher berechtigter Gedanke, wenn er sich nicht so auswächst, dass das hilfswissenschaftliche Studium schliesslich das ganze Geschichtsinteresse verschlingt. Diese Gefahr ist heute wohl nicht mehr so gross, wie vor 10–20 Jahren, und sie wird auch dadurch verringert, dass das neue Institut nicht nach Berlin, sondern an eine Provinzialuniversität gelegt wird, eine Wahl, die durch den Reichthum des Marburger Archivs an alten Urkunden vollauf begründet ist. Bedenklich aber kommt uns

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_358.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2023)