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oder, wie in Tübingen, von einer dem Landesfürsten zur Seite stehenden Gewalt für die Universitäten gegeben und nicht von der Corporation selbst beschlossen wurden, aber eine grundsätzliche Aenderung der Autonomie der Universitäten beabsichtigten sie nicht und stellten sie nicht dar. Die Gründung Wittenbergs zeigt hierin keinen wesentlichen Unterschied von der bisherigen Stellung der mittelalterlichen Universitäten, und auch die andere Behauptung Muther’s, dass der Kurfürst den geistlichen Einfluss zurückdrängte und den Charakter der Universität als Staatsanstalt in bisher nicht üblicher Weise hervortreten lasse, ist nicht richtig.

Muther geht auch bei dieser Behauptung von einer ungenauen Vorstellung aus, indem er die älteren Universitäten „als unter der Schutzhoheit der Kirche stehende Corporationen“ bezeichnet (S. XIII). In Köln übte die Stadt Hoheit und Schutz[1], in Wien, Heidelberg, Tübingen, Leipzig, Ingolstadt der Landesherr. Muther hat die Thatsache im Auge, dass die Universitäten durch den geistlichen Stand zahlreicher Glieder, durch ihre Pfründen, ihre Privilegien und ihren Gerichtsstand in enger und vielfältiger Verbindung mit der Kirche standen, sich in Conflicten gern und mit Erfolg nach Rom wandten, dass der Kanzler und die Conservatoren der Privilegien meist aus den Prälaten ernannt wurden, und dass der Kanzler einen grossen Einfluss und weitgreifende Gewalt über die Universitäten zu besitzen pflegte.

Allein so stark man diese Dinge betonen mag, der Ausdruck Muther’s verleitet, das weitreichende Recht zu übersehen, das sich die territorialen Gewalten auch im Mittelalter, und auch in Deutschland nicht nur in Italien, bewahrten, und dass man selbst in Deutschland die Scholaren nicht schlechthin als Kleriker behandelte, sondern z. B. in Köln und Heidelberg die Laien unter ihnen in Fällen des Strafrechts einem anderen Richter unterstellte als die Geweihten.

Auch die Stellung des Kanzlers fasst Muther nicht richtig, beherrscht von allgemein verbreiteten Irrthümern. Zunächst irrt er, wenn er den besonderen Gerichtsstand der Universitäten und

  1. Vgl. die gründliche Untersuchung von H. Keussen, Die Stadt Köln als Patronin ihrer Hochschule, in Westdt. Zeitschrift. Bd. IX, 344 ff.; X, 65 ff. Der Erzbischof hatte keinen Antheil.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_139.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)