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den von 1870, ist Beloch so überzeugt, dass er ebenda erklärt: „ich sehe nicht [!], wie Perikles’ Politik von anderen Voraussetzungen aus verständlich ist – – –. Der Perikles-Cultus, der ja noch immer in schönster Blüthe steht, sträubt sich natürlich, die Thatsache anzuerkennen, dass der grosse Athenische Staatsmann den Peloponnesischen Krieg aus persönlichen Gründen zum Ausbruch gebracht hat. Thukydides ist weniger zartfühlend gewesen; er hält es für selbstverständlich, dass ein Staatsmann von egoistischen Motiven geleitet wird, und legt demgemäss solche Beweggründe auch den Männern unter, die er am höchsten bewundert, einem Brasidas (V, 16), einem Nikias (a. a. O.), einem Phrynichos (VIII, 50; vgl. VIII, 27)“. Zum Beweis, dass Perikles den Krieg herbeigeführt habe, weil er die Opposition in Athen von sich ablenken wollte, behauptet Beloch S. 516: aller Voraussicht nach würde die Zurücknahme des Beschlusses der Handelssperre gegen Megara genügt haben, der Friedenspartei in Sparta zum Siege zu verhelfen; es war eine Phrase, wenn Perikles jetzt erklärte: die Ehre des Staates verbiete das; 14 Jahre vorher hatte Athen den Frieden mit weit schwereren Zugeständnissen erkauft und doch seine Grossmachtstellung behauptet. Schon die öffentliche Meinung seiner Zeit sei nicht im Zweifel gewesen, dass er den Krieg verschuldet habe; vgl. Aristophanes, Acharner 515 f., Frieden 609 und Andokides, vom Frieden 8, sowie Ephoros bei Diodor XII, 39. Den Krieg selbst hat er dann nach Beloch ohne rechte Thatkraft geführt; „im ersten Kriegsjahr hätte sehr viel mehr geschehen können“, heisst es S. 520 Anm. 1.

Wir wollen nun an dieser Stelle kein Wort darüber verlieren, dass Beloch von Perikles sagt: er habe als Staatsmann keinen „wirklich schöpferischen Gedanken“ gehabt. Bis vor kurzem war man der Meinung, dass das gerade Gegentheil der Fall sei; noch vor wenigen Jahren (1889) hat z. B. Holm in seiner unseres Ermessens unendlich tieferen Auffassung des Mannes (Griech. Gesch. II, 390–394) erklärt: „Perikles war von einem Ernste, von einem Streben nach dem Bedeutenden, wie dies bei wenigen Staatsmännern in so hohem Grade hervortritt – – –. Wir betrachten die Athenische Demokratie mit Perikles als einen der glänzendsten politischen Zustände“.

Nicht minder überflüssig scheint es uns, die Anklage zu widerlegen, dass Perikles jemals den Classenhass geschürt habe. Soweit sie überhaupt verständlich ist, kann sie sich nur darauf beziehen, dass er den Richtersold und den freien Eintritt in’s Theater einführte; dass aber diese Massnahmen den Classenhass geschürt hätten, sagt Beloch nicht einmal selbst an der Stelle, wo er von diesen Dingen redet, S. 467–469. Offenbar ist auch das gerade Gegentheil wahr: diese

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_145.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2023)