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Bischöfen theilte, die jedoch keiner so wirksam zu üben und so zu entwickeln vermochte wie er, und die nur er als allgemeines Haupt der Kirche nicht bloss in seinem Bisthum, sondern in der ganzen Provinz Italien versah.

Im Römischen Reiche war die Verderbniss des Beamtenthums immer grösser geworden. Es waren Männer, zum Amte geboren, begehrlich und unersättlich, die Gesetze verachtend und die Menschenrechte verhöhnend; Beamte, welche immer freier und gewaltthätiger regierten und die Reichen und Privilegirten immer häufiger in der Rechtsprechung und in der Besteuerung begünstigten. Unter ihnen ein Haufe dienender und steuernder Unterthanen. Der Militärstaat hatte den Kriegsmann so privilegirt, dass er nur vom eigenen Stande gerichtet wurde, – er entzog ihn der ordentlichen, der criminellen und der civilen Jurisdiction, um ihn der Gerechtigkeit überhaupt zu entziehen.

Hätte die im Römischen Reiche herrschende Partei so furchtbare Waffen zu ihrer Verfügung gehabt, wie sie in unseren Tagen sind, Waffen, mit denen sie das Volk zerschmettern könnte, so würde die kaiserliche Regierung vielleicht weniger um Besserung oder Unschädlichmachung ihres Beamtenthums besorgt gewesen sein; es wirkten bei ihr auch wohl noch Traditionen der grossen Volkszeit nach und mischten sich schliesslich christliche Motive ein. Die damalige Regierung wusste zu gut, dass es hoffnungslos sei, Bureaukraten durch Bureaukraten zu controlliren: ein Instanzenzug innerhalb der Bureaukratie war schon damals für das Volk ohne Gewinn. Hätte der Kaiser sich an den Gemeinsinn gewendet, um eine Aufsicht herzustellen, so würde er nur ein Scheinwesen von der Art unseres Parlamentarismus eingeführt haben. Es gab jedoch noch eine Beamtenschaft, deren Amtstüchtigkeit die Regel, deren Gesinnung zuverlässiger war, und diese Beamten waren bereit, ihrem sinkenden Staatswesen hilfreich zu sein. Es war der Episcopat. Hatte der Imperator in den Christen einst bessere Unterthanen zu gewinnen geglaubt, so sollten ihm jetzt die Bischöfe zur Beaufsichtigung seiner Beamten dienen. Er gewährte ihnen umfassende Aufsichtsrechte über die staatlichen und städtischen Beamten ihrer Diöcese und vertraute ihnen vornehmlich die Sorge für eine unparteiische Rechtspflege an; zweifelte eine Partei an der Gerechtigkeit ihres Richters, so durfte sie den Bischof auffordern,

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_304.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2023)