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pflegte. Die Landesangehörigen mussten ihm, wenn er es begehrte, schwören, ihre Pflichten gegen ihn zu erfüllen[1].

Die herkömmliche Römische Landesordnung bestand fort; denn der Papst sah keinen Grund, eine Regierungsform zu beseitigen, die ihm so grosse Freiheit und so viele Rechte gab. Nur darin stellte sich die Regierung des Priesterfürsten als eine besondere dar, dass ihm Geistliche auch in weltlichen Geschäften dienten. Das Volk war für die eigene Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen nicht organisirt. Das städtische Kriegsvolk war nicht ein willenloses Soldatenthum, es hatte ein Gefühl von seiner Macht und als Volksheer war es nicht volksfeindlich gesinnt, aber der Papst hat dessen ungeachtet diesen wichtigsten Theil der Einwohner seiner Hauptstadt nur selten nach seinem Willen gefragt[2] und die geringere, nicht wehrpflichtige Menge blieb einflusslos. Musste der Papst mit der wohlthätigen Gefahr einer popularen Empörung rechnen, so hatte er sich doch noch mehr vor einer aristokratischen Auflehnung zu hüten. Die Römische Nobilität, deren Kern die reichen Geschlechter in Rom und seinem Ducat ausmachten, hatte sich einen stetigen politischen Einfluss gesichert. Denn ihren Mitgliedern fielen die besseren Aemter am Hofe und im Lande, im Staate und in der Kirche zu[3]. Diese Edlen, mochten sie Beamte sein oder nicht, liessen es an Widersetzlichkeit gegen den Papst nie fehlen. Mit den Inhabern der Aemter und etwelchen amtlosen Adligen ging der Papst oft zu Rathe: sie machten die grösste Regierungsversammlung in seinem Lande aus[4].

  1. Treupflicht oder Gehorsamspflicht Codex Carolinus S. 509, 31. 510, 1. 515, 19. 539, 19. 579, 34. 580, 3. 617, 21. Vita Leonis IV. c. 80. Annal. Fuldenses 896 ed. Kurze S. 128. Die aus dem Römischen Staaterecht (vgl. Vita Gregorii II. c. 23) überkommene Vereidigung war keine regelmässige oder allgemeine, vgl. Vita Stephani III. c. 4, Hadriani c. 32 f., Stephani V. c. 5. Codex Carolinus S. 617, 21. Capitularia I, 324.
  2. Die Ueberlieferung erwähnt kaum noch Fälle, wie sie schon Vita Zachariae c. 2 f. erzählte. Vgl. Codex Carolinus S. 498, 21. Vita Stephani III. c. 14, Hadriani c. 12 f., Sergii II. c. 46.
  3. Vgl. Löning, Historische Zeitschrift LXV, 233 f., dessen Erklärung mir richtiger scheint als die von Zeumer zu § 15 des Constitutum Constantini in seiner Ausgabe 1888 S. 44.
  4. Vgl. Codex Carolinus S. 508, 10. Vita Leonis IV. c. 70. Regino 872. Ueber die damalige Bedeutung von senatus s. Diehl a. a. O. S. 126 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_328.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)