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Ist der Patricius durch seine Gewalt ein Oberherr des Landesherrn geworden oder behauptete der Papst auch als weltlicher Fürst jene gewaltfreie, gleichberechtigte Stellung, die Stephan II. bei den Verhandlungen mit Pippin 754 eingenommen hatte? War er auf der einen Seite ein ebenbürtiger Verbündeter, dessen Gesandte den Schutz des Völkerrechts besassen, und war er auf der anderen Seite einer höheren Gewalt unterworfen? Wurde diese Frage in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts gestellt, so mochte der Römer geneigter sein, sie zu verneinen und der Franke, sie zu bejahen; indess mit einem schlichten Ja oder Nein liess sich die Antwort nicht wohl geben. Der Patriciat war eine Herrschaft besonderer Art, wie die Respublica Romanorum. Der Papst war nicht einer der Römer, deren Patricius der Karolinger wurde. Der Patriciat sollte die Herrschaft des Papstes nicht mindern, sondern bessern. Seinen Functionen nach stand er im Dienste des Landes[1]. Er war nicht eine freie Gewalt, deren Gebrauch oder Nichtgebrauch in der Willkür des Patricius lag, sondern er gab Rechte, die für den Träger zugleich Pflichten waren. So war es auch den Karolingern verständlich, dass sie für ihre Arbeit keinen gleichwerthigen Lohn empfingen, während sie sonst eine Herrschaft ohne Einnahmen und unmittelbaren Nutzen für den Herrscher nicht kannten.

Pippin hat von seinem Patriciat während der anderthalb Jahrzehnte, die er ihn inne hatte, einen spärlichen Gebrauch gemacht. Aber auch er zweifelte nicht, dass er als Patricius unmittelbare Gewalt über die Römer habe: sie waren ihm zu Treue verpflichtet[2]. Pippin’s Würde haben seine beiden Söhne geerbt. Ihnen hatte der Papst 754 die Anwartschaft ertheilt, so dass sie, ohne dass eine Bestätigung oder Erneuerung der Verleihung erforderlich war oder erfolgte, nach dem Tode ihres Vaters Patricii geworden sind. Vor diesem Tage waren sie so wenig Patricii, als sie Könige waren, aber seitdem sind sie es auf Grund

  1. Vom Patriciat ohne Zweifel unabhängige Handlungen liegen vor Codex Carolinus S. 572, 22. 30, wo Karl einschritt, weil ein päpstlicher Bote seinen Notar zur Anfertigung falscher Urkunden anstiften wollte und ein päpstlicher Gesandter ihn beleidigte.
  2. Oben S. 345. Das zu Grunde liegende Recht dürfte hier wie bei den späteren Vereidigungen für Karl der Patriciat sein. Die Beurlaubung Römischer Geistlicher auf Pippin’s Bitte hängt mit keinem Rechte Pippin’s zusammen, Codex Carolinus S. 549, 14–25.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_349.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2023)