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Abweichend von der gewöhnlichen Annahme haben die Herausgeber der Englischen Councils die Vertreibung Eardulf’s in die zweite Hälfte des Jahres 807 oder in den Anfang 808 setzen wollen, aber sie haben das mit ganz unzulänglichen Gründen gestützt[1].

Was indessen für ihre Ansicht spricht, ist der so auffallend lange Zeitraum, der seit dem Jahre 806 verstrichen sein soll, ehe Leo III. und Karl dem Ereigniss Beachtung schenkten. Der päpstliche Legat, der in diese Northumbrischen Wirren eingreifen sollte, kann längere Zeit vor dem März schwerlich das Frankenreich durchreist haben[2]; der Papst wäre also mehr als ein Jahr in völliger Unkenntniss dieser Ereignisse geblieben, obwohl er sie direct von England erfuhr, oder er müsste sehr lange mit der Entsendung des Legaten gezögert haben. Noch später wäre die Nachricht zu Karl gedrungen oder auch er müsste auffallend gezaudert haben, ehe er sich entschloss, den vertriebenen König durch Boten zu sich rufen zu lassen; und dass er etwa im April 808 die Vertreibung Eardulf’s dem Papste als eine Neuigkeit mittheilte[3], würde kaum glaublich sein bei einem Ereigniss, das sich vor mindestens 16 Monaten zugetragen hätte[4].

Es ist also immerhin fraglich, ob eine doch nicht unbedingt verlässliche Annalenangabe diese Unwahrscheinlichkeiten aufwiegt.

    unseren Briefen und den sogen. Ann. Einh. geschlossen werden muss, dass erst 809 Eardulf zurückgeführt wurde, wovon die Northumbrische Ueberlieferung nichts weiss, dass also frühestens in diesem Jahre sein Sohn auf ihn gefolgt sein kann (Ann. Lindisfarn. 506; Sym. Hist. Dunelm. eccl. 52). Auch die Angabe der Ann. Lindisfarn., Eardulf sei Karl’s Schwiegersohn gewesen, ist ja falsch (Simson II, 353 Anm. 3).

  1. Haddan and Stubbs, Councils, III Oxford 1871 S. 561 a. Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass Heinrich von Huntington (ed. Arnold, London 1871) in dem Königsverzeichniss nicht auf selbständiger Quelle fusst, sondern nur seine eigene Arbeit auszieht (vgl. auch Theopold, Krit. Unters. über d. Quellen z. Angelsächs. Gesch. des 8. Jhs. Göttinger Diss. Lemgo 1872 S. 24). Wenn dort also die Regierungszeit Eardulf’s auf 12 Jahre angegeben wird, so erklärt sich das einfach daraus, dass im obigen Text der Regierungsanfang durch Versehen unter das Jahr 794 gekommen ist. Also ist mit dieser abgeleiteten Quelle ebenso wenig anzufangen, wie mit anderen späten Ableitungen.
  2. Denn Ende März 808 hatte Leo trotz kürzlicher Nachrichten von Karl noch nichts von dieser Durchreise gehört, sondern erfuhr es erst aus einem Briefe desselben, den er einige Zeit später erhielt (Brief 1 u. 2 bei Jaffé).
  3. Vgl. den Ausdruck „insinuare“ in Brief 2.
  4. Dabei ist auf den Ausdruck „decimo anno“ in Sym. Hist. Dun. eccl. noch kein Gewicht gelegt, nach welchem genau genommen die Vertreibung des Königs schon vor dem 14. Mai 806 erfolgt sein müsste.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_354.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2023)