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gefangen genommen, er hatte Jerusalem erobert und seine Mauern gebrochen. Den Tempel und die Schatzkammern des königlichen Palastes hatte er ausgeplündert und Jüdische Geiseln hatte er nach Samaria geführt. Amazja selbst liess er am Leben. Betrachten wir diese Vorgänge unbefangen: was wollen sie anders besagen, als dass Jehoas den Jüdischen Staat erobert hatte? Soll man wirklich annehmen, dass der kräftige Regent, der den König von Damaskos überwunden und die Israel entrissenen Städte wieder zu seinem Reiche gebracht hatte, sich damit begnügt habe, seinen kecken Gegner, der doch wohl, wie Josephos A. J. IX, 9, 2 § 196 richtig combinirt hat, darauf ausging, sich das Reich der zehn Stämme wieder zu unterwerfen, „abzustrafen wie einen bösen Jungen“? Es wäre durchaus unpolitisch gewesen und geradezu beispiellos nicht bloss in der Orientalischen Geschichte. Es ist vielmehr nach Lage der Dinge anzunehmen, dass Jehoas dem Jüdischen Staate ein Ende machte. Dass diese Episode möglichst vertuscht und, soweit es anging, ganz verschwiegen wurde, entspricht dem Charakter höfischer Geschichtschreibung, und wir dürfen auch nicht vergessen, dass uns die Königsbücher in einer specifisch Jüdischen Redaction vorliegen.

König Jehoas aber muss kurze Zeit, kein volles Jahr, nach seinem Siege über Amazja gestorben sein. Das ergibt sich nicht nur aus unserer Berechnung (oben S. 51), sondern ist auch ausdrücklich bezeugt in der Stelle II, 14, 17: „Und es lebte Amazjahu, der Sohn Joas’, der König von Juda, nach dem Tode des Jehoas, des Sohnes des Joahas, des Königs von Israel, 15 Jahre“. Das kann keiner der gewöhnlichen Synchronismen, sondern muss eine historische Angabe sein. Als Synchronismus wäre die Notiz ohne alle Analogie. Auch die Tradition hat sie als historisch genommen; Josephos, der den biblischen Synchronismen gegenüber sehr vorsichtig ist, setzt A. J. IX, 9 § 203 die Eroberung von Jerusalem in das 14. und IX, 10 § 205 den Regierungsantritt Jerobeam’s II. in das 15. Jahr des Amazja. Dass die Angabe zur Noth auch errechnet werden kann, beweist natürlich nichts gegen die Annahme, dass sie überliefert war. Zum Ueberfluss wird sich unten (S. 71) bei der Betrachtung der Synchronismen ergeben, dass die Notiz dem Synchronisten bereits vorgelegen haben muss. Der Wortlaut der Stelle ist unserer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_055.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)