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bekanntlich Amos aufgegeben, weil er gegen Jerobeam II. gemeutert habe, sich in das Land Juda zu flüchten, und daraus liesse sich schliessen, dass Juda ein von Israel unabhängiger Staat gewesen sei. Sehen wir uns indessen die Erzählung genauer an, so ist dieser Schluss keineswegs zwingend. Die Erzählung an sich ist unklar genug. Amos, kein Priester, sondern ein ungelehrter Mann, treibt sich in Bethel herum und verkündet das furchtbarste Unglück für Jerobeam und Israel, nachdem er schon vorher die Zustände im Reich auf das Heftigste angegriffen hatte. Der Priester zu Bethel, Amazja, hält sich dem gegenüber für verpflichtet, dem Könige von dem Aufruhrprediger zu sagen. Was der König darauf thut, erfahren wir nicht. Amazja aber meint es trotz alledem gut mit dem armen Seher. Er gibt ihm, den er doch eben beim König denuncirt hat, den guten Rath, nach Juda zu flüchten; in Bethel dürfe er nicht weiter prophezeien, weil das ein königliches Heiligthum sei, dort also, so müssen wir annehmen, Predigten gegen den König nicht geduldet werden könnten. Die Antwort auf diesen guten Rath ist eine recht beleidigende Prophezeiung gegen Amazja selbst. Weiter aber erfahren wir ganz und gar nichts. Aus dem, was überliefert ist, lässt sich nicht einmal abnehmen, ob Amos von Bethel gewichen ist oder nicht.

Welchen historischen Werth besitzt diese Erzählung, welche sich so seltsam in die Wahrsagungen des Amos eingesprengt findet? An sich steht gar nichts im Wege, sie für einen Zusatz späterer Zeit zu halten, eingeschoben von dem Redactor des Buches, der die Veranlassung der Prophezeiung V. 16 und 17 angeben wollte. Dann hätten wir kein Recht, aus dem Ausdruck „in das Land Juda“ überhaupt etwas zu folgern, weil wir Bedenken tragen müssten, uns auf die Einzelnheiten in der Erzählung überhaupt zu verlassen. Ein Historiker, der es z. B. mit Griechischer Geschichte zu thun hätte, würde so verfahren. Er würde sich dazu um so mehr für berechtigt halten, als hier von Amos mit Namensnennung in der dritten Person die Rede ist, während sich der Prophet sonst durchweg der ersten bedient. Da wir indessen über die Redaction und Herausgabe des Buches Amos überhaupt nichts wissen, wird diese Beseitigung des Bedenkens nicht Allen als genügend erscheinen.

Allein auch wenn die Erzählung von Amos selbst herrührt,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_062.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2023)