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Staaten vereinigt werden. Jetzt sei wenig Aussicht dazu, und aus begreiflichem Interesse an der Türkei werde Oesterreich, ohne es zu wollen, Frankreich begünstigen. Nur einer Uebereinstimmung zwischen den drei Mächten, die allein noch angesehen und unabhängig sind, könnte jeder von ihnen garantiren, dass die Drohung einer andern Macht, wider ihre Interessen zu handeln, nichtig wäre. Sie würde auch Frankreich imponiren und das einzige Mittel sein, dem Festlande den Frieden zu wahren. Die grösste Vorsicht wäre allerdings nöthig, um nicht Frankreichs Verdacht zu erregen; aber es würde sich nur darum handeln, die schon sehr bedrohte Unabhängigkeit, die man gegenwärtig geniesst, aufrecht zu erhalten und die Idee gänzlich zu vernichten, dass eine Lockspeise, einer der Mächte dargeboten, sie gegen das Unrecht, das einer anderen geschieht, gleichgültig mache.

Humboldt verhehlt sich allerdings nicht, dass es überaus schwer sei, eine solche Uebereinstimmung der Mächte herzustellen, wofern nicht der Hof von Petersburg den ersten Schritt thue und eine ganz freie und offene Sprache führe. „Man will sich hier gewiss nicht mit Frankreich gegen eine andere Macht verbinden, aber indem man Russland Fesseln anlegt, vergisst man, dass man dadurch ein System begünstigt, das man nicht liebt, ohne dass man das Verdienst erwirbt, es wirklich angenommen zu haben, der Pforte Nutzen zu bringen und seine eigenen Interessen zu fördern. Unglücklicher Weise muss man offen gestehen, dass der Oesterreichischen Monarchie augenblicklich ein Mann fehlt, der fähig wäre, die politischen Kräfte, die ihr geblieben sind, zu vereinigen und zu befestigen. Die Finanzen stehen schlecht, das Volk ist mit den Massregeln der Regierung unzufrieden, die Minister sind uneinig und der Kaiser schenkt keinem ein unbegrenztes Vertrauen und schwankt ungewiss zwischen ihnen[1].

Erst Ende October war Metternich wieder in Wien eingetroffen, und nun berichtet Humboldt über wiederholte Unterredungen mit ihm. Er gewann den Eindruck, dass der Oesterreichische Minister in Paris über eine Allianz unterhandelt habe,

  1. Vgl. das Tagebuch des Erzherzogs Johann bei Krones, Aus Oesterreichs stillen und bewegten Jahren S. 117.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_086.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)