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zu führen. Aber dazu ist keine Hoffnung vorhanden, so lange Graf Wallis das Ohr des Kaisers besitze, gegen Metternich arbeite und im Innern so schädlich wirthschafte. Unter Vorwänden die weiteren Forderungen abzulehnen, sei Oesterreichs unwürdig, eine offene Sprache könne allein wirksam sein[1]. Schon ehe die Katastrophe der grossen Armee bekannt war, am 2. December 1812[2], zeichnete Humboldt mit bewundernswerthem Scharfblick die ganze kommende Entwicklung: „Der Wiener Hof wird nicht brüsk das System wechseln, wie auch die Chancen des Krieges sein werden; ein Wechsel des Systems wird nur eintreten, wenn Napoleon billige Bedingungen zurückweist; manche glauben, er würde ohne neuen Feldzug einen allgemeinen Frieden schliessen; ich glaube nicht, schreibt Humboldt, dass ein so grosses Resultat so leicht zu erreichen ist; ich bilde mir ein, dass Napoleon eher im Kampf wird unterliegen wollen; seine Position in Frankreich erlaubt ihm gar nicht, anders zu handeln“. Auch das Misstrauen gegen Russland ist bei Humboldt noch nicht geschwunden; er hält es immer noch für möglich, dass es sich zu einem Particularfrieden verführen lässt. Wenn er schliesslich fragt, ob man nicht vielleicht die Gefahren der Französischen Armee übertreibe, so beantworteten die bald eingehenden Nachrichten diese Frage.

Am 19. December wusste[3] man in Wien Napoleon’s Durchreise durch Warschau, und jetzt glaubte Metternich, Napoleon komme nicht wieder zur früheren Höhe. Humboldt’s Ansicht ist, es bedürfe jetzt nur einer energischen und wohlberechneten Haltung der anderen Europäischen Mächte, um das frühere System des Gleichgewichts und der Unabhängigkeit herzustellen, auf der allein die allgemeine Ruhe und das individuelle Glück sich begründe. Wenn man sich in die Lage der Frankreich feindlichen Cabinete versetze, so könnten sie eine doppelte Frage erheben: Muss man an einer gänzlichen Zerstörung der gegenwärtigen Französischen Regierung arbeiten? Oder soll man sich begnügen, einen Frieden zu schaffen, der für immer oder wenigstens für lange Zeit die Sicherheit gäbe, dass Frankreich sein gegenwärtiges Uebergewicht nicht wieder erlange? Wenn England

  1. Bericht vom 16. December 1812.
  2. An Hardenberg den 2. December 1812.
  3. Bericht vom 19. December 1812.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_120.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2017)