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hingewiesen werden. (Kempf, Gesch. des Deutschen Reiches während des grossen Interregnums, S. 126).

Wie aber lässt sich nun eine solche allmähliche Herausbildung des andere ausschliessenden Kurrechts besser erklären, als durch die Annahme einer Stufe, wo sich dasselbe nur erst als Vorrecht, als ein Recht früherer Stimmabgabe äusserte?

Mit der dritten Behauptung des Ssp. stand es im Vorigen am schlimmsten. Wir konnten sie nur durch zwei ziemlich späte Zeugnisse des 13. Jahrhunderts belegen. Ja, wir sind nicht einmal im Stande, nachzuweisen, dass vor der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die weltlichen bei der Kur bevorrechtigten Fürsten überhaupt mit den Erzbeamten identisch waren. Nur für Sachsen und Böhmen lässt sich das annehmen, da beide ihr Erzamt schon früher, unter Otto III. beziehungsweise Heinrich V., gehabt haben. (Waitz, Verf.-Gesch. VI, 266 f.). Die Wahrscheinlichkeit spricht aber für die Ansicht des Ssp., wie wir sie deuten zu sollen glaubten.

Erstens wäre die Zusammensetzung des späteren Kurfürstencollegs, die Ausschliessung der mächtigen Fürsten von Baiern und Oesterreich, schwer anders zu erklären. Jedenfalls schwerer durch die Vermuthung, die weltlichen Kurstimmen hätten sich aus einem alten Vorstimmrecht der Herzoge entwickelt[1]. Wie ansprechend nämlich auch diese Annahme ist, lässt sie sich doch, wie uns scheint, nicht mit genügender Sicherheit bis in die Staufischen Zeiten verfolgen, denn die hier angezogene Erklärung Bairischer Bischöfe im Jahre 1125, sine duce Bavarico nichil de rege se diffinire, braucht sich gar nicht auf die Kur zu beziehen und bezieht sich wahrscheinlich wirklich nicht darauf. Ebensowenig sprechen die übrigen Berichte über die Wahlen des 12. Jahrhunderts für diese Annahme. Sodann ist kaum anzunehmen, dass diese Anschauung zur Uebertragung einer Kurstimme an Brandenburg und zur Ausschliessung des alten Stammesherzogthums Baiern geführt haben würde.

Zweitens ist die Theorie des Ssp. wenigstens in sich consequent, insofern sie aus dem Ehrenrecht des Erzamts zunächst auch nur ein Ehrenrecht bei der Kur hervorgehen lässt. Galt

  1. Weiland, Forsch. XX. Quidde, Die Entstehung des Kurfürstencollegiums.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_308.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2023)