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dass ausnahmsweise ein Gefolgsherr – also nicht nothwendig ein „Fürst“ – vor der gewöhnlichen Zeit durch Aufnahme in sein Gefolge wehrhaft machen kann, und dies bildet den Uebergang zu einer ausführlichen Darstellung des Gefolgschaftswesens.

So folgt Eins aus dem Anderen ganz von selbst. Ein derartig fortschreitender Gedankengang erscheint aber angemessener und wahrscheinlicher als derjenige, der sich ergibt, wenn man dignatio in passivem Sinn übersetzt. Denn dann ist nach der Wehrhaftmachung plötzlich und ohne jeden Uebergang davon die Rede, dass eventuell auch ein ganz junger Mann princeps, Gaugraf werden könne. Und nun schliesst sich ebenso unvermittelt daran eine Schilderung des Gefolgschaftswesens. Wie Tacitus dazu kommt, hier plötzlich eine ganz kurze Bemerkung über die Erlangung der Fürstenwürde durch junge Leute einzuschieben, ist mehr als eigenthümlich, ist unverständlich.

Bei dieser Auffassung ist auch leicht zu erklären, wer unter den ceteris robustioribus ac jam pridem probatis gemeint ist. Es ist darunter der Comitat des Gefolgsherrn, in welchen die jungen Leute eintreten, zu verstehen. Dazu stimmt einerseits die Bezeichnung „robustioribus ac jam pridem probatis“ sehr gut, andererseits wird fast in demselben Augenblick noch hinzugefügt: „Nec rubor inter comites aspici“. Aber nicht bloss aus dem folgenden Zusatz ergibt sich die Ergänzung von comites – was ja stilistisch als nicht recht empfehlenswerth angesehen werden könnte, ein Vorwurf, der ja auch oben (S. 315) angeführt wurde, obgleich dieser Vorwurf nicht gerade hindernd genannt werden kann –, sondern schon aus dem vorher genannten „Gefolgsführer“ geht hervor, dass mit den anderen älteren und erfahrenen Leuten, denen die jungen Leute von ihm angereiht werden, nur seine Gefolgsleute gemeint sein können, und ein etwaiger Zweifel hierüber schwindet durch das unmittelbar darauf folgende und in enger Verbindung damit stehende: „Nec rubor inter comites aspici“.

Zu solcher Ergänzung stimmt auch ganz vortrefflich, wie später noch Gelegenheit sein wird, zu zeigen (vgl. unten S. 328), das Verbum aggregari, indem hier ein comes dem anderen angereiht wird, also par pari, und man es nicht für unpassend halten kann, wenn im Gegensatz zum Gefolgsherrn das Gefolge „grex comitum“ genannt wird.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_323.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2023)