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Schicksal nachdachte, rauschte es gewaltig über ihm in der Luft und da flog der Vogel Greif daher und ließ sich in der Ferne auf einen Berg nieder. Er rieb sich vergnügt die Hände und lachte so recht froh in sich hinein, denn von dem Vogel Greif hatte er in dem Buche gelesen. Als der Vogel am folgenden Tage wieder kam und desselben Weges flog, erzählte er Abends dem Bauern davon. „Ich kenne ihn nur allzuwohl,“ sprach der Bauer, „er hat mir mehr als ein Schwein gefressen, darum nimm dich nur in Acht, daß du dem Berge nicht zu nahe kommst.“ „Ei was, mir holt er kein Schwein“ rief der Jüngling „und jetzt treibe ich geraden Wegs nach dem Berge hin.“ „Das magst du thun,“ sprach der Bauer, „fehlt aber am Abend ein Schwein, dann bekommst du Prügel und ich jage dich weg.“

„Frisch gewagt ist halb gewonnen“ sprach der Jüngling, als er am folgenden Morgen die Heerde austrieb und fuhr auf den Berg zu, denn auch von dem Berge stand in dem Buche geschrieben. Gegen Mittag kam der Vogel Greif herangeflogen wie eine große dunkle Wolke. Als er nahe bei dem Berge die Schweineheerde erblickte, schoß er nieder und packte eins mit seinen großen grausigen Klauen, aber der Jüngling hatte nicht vergessen, was er weiter in dem Buch gelesen hatte; er riß ihm schnell drei Federn aus, steckte zwei hinter die Ohren und nahm eine in den Mund: da war er so stark und konnte fliegen trotz dem Vogel Greif. Jetzt riß er ihm das Schwein weg, griff ihn am Halse und drückte ihm die Kehle, bis der mächtige Vogel todt dahin sank. Alsdann schnitt er ihm mit seinem Messer den Leib auf

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite VI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_006.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)