Seite:De Deutsche Hausmärchen 150.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.



Als der Prinz schon ein paar Tage in dem Schlosse gewesen war, ging er eines Tages auf dem Wall spazieren. Da hörte er ein jämmerliches Aechzen und Stöhnen, das lautete grade, als käme es aus der Erde. Er schwang sein Schwert, da kamen die Diener und er frug sie, woher diese Töne kämen und wer also ächze. Die Diener sprachen: „Wir wissen es nicht, das weiß nur der Greis, welcher in dem Saale schläft, denn er hat die Schlüssel zu den unterirdischen Gängen.“ Der Prinz befahl ihnen, den Greis zu holen, allein der wollte nicht hervor, bis der Prinz ihm drohen ließ, er werde ihn mit Gewalt holen lassen. Da kam er und brachte ein Bund Schlüssel. Er rückte an einem Stein in der Mauer, da erschien eine kleine Thüre, welche er aufschloß und die in einen dunkeln Gang führte. „Geht nun hinein“ sprach er mürrisch zu dem Prinzen, doch dieser hütete sich wohl und zwang den Greis, voran zu gehn. Je weiter sie in dem Gange kamen, um so näher lautete das Aechzen. Endlich standen sie vor einer zweiten eisernen Thür und als der Greis auch diese aufschloß, war da ein halbfinsteres Loch, worin das schmuzige Wasser und alle Unreinlichkeit aus dem Schlosse zusammenfloß. In diesem schrecklichen Aufenthalt saß ein Mädchen, dem die Kleider am Leibe fast verfault waren. Als es den Greis erblickte, rief es: „Gehe nur weg oder gib mir den Tod, damit meine Qualen ein Ende nehmen.“ Da trat der Prinz hervor aus dem dunkeln Gange, und befahl dem Greise, das Mädchen herauszuführen. Er zögerte Anfangs, aber da hob der Prinz sein Schwert und nun folgte er dem Befehl. Die Jungfrau aber rief flehentlich: „Ach führet

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_150.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)