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nur ihre Geschichte, bald aber erzählte ihr der Jüngling auch, wie er sie vom ersten Augenblick, wo er sie gesehen, in sein Herz geschlossen habe und so liebe, daß er ohne sie nicht leben könne. Da gestand sie ihm, daß auch sie ihn über Alles liebe und also waren sie ein Herz und eine Seele. Die Dienerinnen merkten wohl, was vorging, doch sie verriethen es nicht, weil sie die Prinzessin und den schönen Jüngling zu lieb hatten, als daß sie Beide hätten unglücklich machen sollen. Da kam aber eines Morgens die Sultanin daher gegangen, um zu sehen, wo die Prinzessin sei und da die Beiden so in ihr Gespräch vertieft waren, daß sie nichts hörten und sahen, so konnte sie ungestört Alles abhorchen. Plötzlich stand sie vor ihnen, so daß der arme Jüngling nicht mehr entfliehen konnte. Sie hielt ihn fest, und winkte den Schildwachen, welche auf den Mauern standen; diese stürzten hinzu und führten ihn mit der Prinzessin in ein Gefängnis, jedes in seine eigne Zelle.

Am dritten Tage nachher war das Verhör. Zuerst wurde der Jüngling vor das Gericht geführt und die Sultanin saß selber dabei. Er solle vor Allem sagen, wer er sei, da fing er an, seine Geschichte zu erzählen, wie er in einem schönen Kästchen auf dem Grabe der Frau des Kaufmannes gefunden worden sei. Das Tuch worein er gewickelt gewesen war trug er seit seiner ersten Jugend stets auf der Brust bei sich; das zog er nun heraus und sprach: „Dieses Tuch war meine Windel und das ist neben der goldnen Blume der Prinzessin mein kostbarstes Gut.“ Als er aber in seiner Erzählung fortfahren wollte, schrie die Sultanin plötzlich:

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_182.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)