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dachte, es wäre doch immerhin schön, wenn er schon den andern Tag Hochzeit halten könnte und ließ sich zum zweiten Male bereden. Das Männchen sprach jetzt, er solle getrost wieder hingehen und sich zwischen die Todten legen, wenn aber die Prinzessin wieder da sei und so recht gierig an einer Leiche fresse, so solle er hinter ihr vorbeischleichen, bis vor den Altar und statt ihrer in den Sarg steigen.

Und so that er's. Um eilf Uhr kam die Königstochter wieder und machte sich über die Leichen her wie ein Wolf, riß eine nach der andern von einander, warf die Gebeine in der ganzen Kirche herum und schrie dabei in Einem fort: „Ich krieg dich doch, du magst stecken, wo du willst.“

Endlich aber blieb sie bei einer Leiche sitzen und fraß und fraß, als wenn es der beste Braten gewesen wäre. Da stand der Schneider leise auf, schlich an ihr vorbei, bis vor den Altar und legte sich in den Sarg. Mit dem Schlag Zwölf kam die Prinzessin und wollte hineinsteigen. Als sie aber den Schneider sah, fing sie an sehr zu klagen und zu bitten, es sei ja ihr Bett, er solle doch herausgehen und sie hineinlassen, daß sie schlafen könne. Als das nichts half, fing sie an aufs Fürchterlichste zu toben, als wenn sie ihn auf der Stelle umbringen wollte; er blieb aber ruhig liegen und sie konnte ihn nicht anrühren. Mit dem Schlage Eins stürzte die Prinzessin zusammen und blieb auf dem Boden liegen und schlief. Der Schneider stand auf und sprach: „Du hast gut schlafen, denn du hast dich satt gefressen, ich habe aber seit gestern Mittag noch Nichts in den Leib bekommen!“ und

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_261.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)