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den General um drei Monat Urlaub, was ihr gern bewilligt wurde, denn sie sah plötzlich ganz blaß aus und magerte immer mehr ab vor innerm Herzeleid und Aufregung. Sogleich hieß sie den Burschen, d.h. ihren Mann die Koffer packen, einen ausgenommen, den er nie berühren durfte, denn darin sagte sie, wären ihre gefährlichsten Gifte und wer ihn aufmachte, wäre des Todes. Es lag aber ihr Kleid darin, welches sie getragen hatte, als ihr Mann sie so unbarmherzig geschlagen.

Als nun der Wagen angespannt war und sie fortfahren sollte, frug der Kutscher, wohin der Weg gehe. „Fahre nach London,“ rief sie, „da will ich eine Zeitlang bleiben.“ Ach du lieber Gott und Herr, was soll das werden! dachte der Bediente.

In London miethete sie gleich die besten Zimmer im Hause des falschen Kaufmanns, welches früher ihr eigen gewesen war. Gegen mich hat sich Alles verschworen, dachte der Bediente, und wenn der liebe Gott mich nicht stärkt, dann unterliege ich. Dann ging er in die Kirche und betete zum ersten Mal seit dem schrecklichen Tag, wo er aus London geflohen, wieder recht aus Herzensgrund und da kam ein großer Friede und eine stille Heiterkeit über ihn und er sprach zu sich selbst: wer weiß was Gott mit mir vor hat und wodurch ich meine Leiden verdient habe; wenn ich nur nicht erkannt werde, dann bin ich gern zufrieden. Mit dem Erkennen hatte es aber keine Noth, denn er war zu sehr verändert und zudem dachte kein Mensch mehr an ihn.

Jetzt hielt der Regimentsarzt jeden Abend große Tafel und der falsche Kaufmann wurde immer dazu eingeladen; so oft er

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_362.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)