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Städte, die Märkte, wo die Erzeugnisse des Thales verwerthet, wo die Bedürfnisse feineren Lebensgenusses geholt werden. Dem Bache nach geht’s in die Fremde, in die weite Welt; er führt zu Verbindungen, Bekanntschaften und Verwandtschaften; ihm folgt man gern und willig. Aus dem Lechthale nach Reute, aus dem Walde nach Bregenz geht und fährt man auch bei geringem Anlasse; über die Höhen steigt Niemand als wer da muß. Den spürsüchtigen Drang nach den Reizen schwindelnder Alpensteige überläßt der Bauer im Gebirge lächelnd dem Fremden. Er hat die Ueberzeugung, daß es auch über dem nächsten Berge nicht viel anders aussehe als bei ihm, und während er oft Jahre lang durch weite Reiche bis an die Pyrenäen und das baltische Meer gewandert, hat er sich selten die Mühe genommen, übers Joch ins nächste Nachbarthal zu steigen. Deßwegen konnte es Frau Falger in Elbigenalp als eine Auszeichnung hervorheben, daß sie schon einmal über den Tannberg gegangen, und deßwegen findet man im Oetzthale, im Zillerthale und in vielen andern Thälern unter den rüstigen Männern zwanzig und dreißig, die in Innsbruck, in München, in Wien gewesen, bis man einen trifft, der über die nahen Fernerhöhen gekommen ist.

Endlich trat eine mächtige, schwarze Felsenecke an den Weg und schien ihn abzusperren. Zwei Hirtenknaben spielten davor und übten sich Steine in den Tobel hinabzuwerfen. Von ihnen erfuhr ich, daß das Alpendörfchen welches ich suchte, dicht hinter dem Schrofen zu finden sey. Dort fand ich’s auch nach wenigen Schritten ganz richtig, das Dorf Lechleiten, neun schwarze, hölzerne Häuschen mit steinbeschwerten Schindeldächern. Da und dort zeigen sich am steilen Abhange Kartoffelfeldchen. Für Getreide ist’s schon lange zu hoch, aber dafür wächst das üppigste Gras, alle Wiesen stehen voll Blumen und Alpenröschen glühen in Fülle an der Gasse.

Das Wirthshaus ist eine Hütte, außerhalb klein und schwarz wie die übrigen, aber innerhalb fand sich eine zierlich getäfelte, blank gescheuerte Stube. Sie gemahnte, daß es bald abwärts gehen würde, der Bregenzerache nach, in die reinlichen Länder am Bodensee. Es erlabte sich da ein Schweizersenne

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_040.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)