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dafür aber haben die Neuvermählten auch das Hochzeitmahl zu bestreiten. Als herkömmliches, nie vermißtes Gericht ist hiebei das Brutmes, Brautmuß, hervorzuheben, das vor dem Braten gereicht wird. Man bereitet es für alle zusammen in einem großen Kessel, und zwar aus Mehl, Milch, Weinbeeren, Zibeben, Mandeln u. dgl. Bei solchen Gelegenheiten pflegen die Wälder nach alter deutscher Sitte nicht immer das ziemende Maß zu halten, indessen ist’s damit in neuern Zeiten viel besser als in ältern. Auch setzte man ehemals etwas Vornehmes in die überschwängliche Anzahl der Gäste, und zumal im vordern Walde sollen oft bei zweihundert Geladene erschienen seyn; jetzt ist aber auch hierin obrigkeitliche Ermäßigung eingetreten.

Unter den Tänzen ist vor allen der offene Tanz beliebt, wo Bursch und Mädchen sich zumeist losgelöst drehen und schwingen und nur auf kurze Augenblicke sich wieder umfangen – dasselbe, was in Tirol bäurisch tanzen genannt wird. Außerdem gibt’s auch noch andere Arten, die man Doppuliren oder Trappen heißt. Das eigentlich städtische Walzen ist unbekannt.

Der Gespensterglaube ist auch im Walde mehr zum Spinnstubengespräch geworden, als daß bedächtige Leute sich ernstlich darauf einließen. Die Geister im Thale haben nicht viel zu bedeuten; man sieht deren selten und weiß kaum recht wie sie aussehen und was sie treiben. Auf den Alpen oben aber ist ganz anderes Wesen. Dort sind die Berggeister zu Hause, und es ist ziemlich sicher, daß sie, wenn die Hirten im Herbst zu Thale ziehen, von den Sennhütten Besitz ergreifen und den ganzen Winter darinnen hausen. Davon überzeugte sich wenigstens einst ein Senne, der hinaufgekommen war, um etliche Käselaibe zu holen und oben über Nacht blieb. Kaum war es nämlich dunkel geworden, so hoben sich die Geister langsam aus dem Boden heraus, senkten sich von der Decke herab und huschten zum Fenster herein. Als sie alle beisammen waren, fingen sie zu sennen an, melkten etliche Geisterkühe, rührten Butter und bereiteten Käse. Der Senne schaute ihnen etwas befangen zu, ließ sie aber gewähren. Dafür thaten

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_070.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)