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auch den Grafen von Montfort zu Verdanken haben, und aus solchen Gründen stehen die ehemaligen Herren noch in frischem und gutem Angedenken. Seit dem Jahr 1390, wo Graf Rudolf von Montfort-Feldkirch starb und seine Herrschaften nach dem Kaufvertrag von 1375 an Herzog Albrecht von Oesterreich übergingen, scheint hier oben nichts mehr vorgefallen zu seyn was sich dem Gedächtniß dieser Aelpler besonders empfohlen hätte. Seit dem Todestage Grafen Rudolfs ist nun freilich bald ein halbes Jahrtausend dahingegangen, aber die alten Zecher im Wirthshause sprachen von den Montforten gerade so als wenn sie noch im vorigen Sommer hier oben auf der Gemsenjagd gewesen wären und erst vor wenigen Monden ihre Herrschaft Damils an das Erzhaus Oesterreich übergeben hätten. So kamen mir die armen Hirten vor wie ein lebendiges Mausoleum der alten rhätischen Ritter, die sie nie vergessen können, weil sie ihnen die Kirche gebaut und die Freiheiten gegeben haben. Es ist auch gut für jene daß sie noch ihrer gedenken, denn sonst singen und sagen die Bauern sehr wenig von dem untergegangenen Geschlecht. Und doch hat es eine Zeit gegeben wo all die Länder vor dem Arlberg, der Bregenzer Wald, die Walserthäler, der Wallgau, Montafun, Feldkirch und Bregenz den Montforten unterthan waren, und überdieß hatten sie noch viel schönes Gebiet über dem Rhein, wo Fortifels, ihr Stammschloß stand, und das reiche Erbe der Freiherren von Vatz in Graubündten; dann kamen auch noch die Herrschaften Heiligenberg und Tettnang an das Haus, und die Grafen von der Fahne, wie man sie von ihrem Wappen nannte, waren weit und breit geehrt unter den Herren in Rhätien, in Schwaben und im heiligen römischen Reich. Sie hatten ihren Schöppenstuhl bei dem freien kaiserlichen Landgericht auf der Wiese zu Münsinen bei Rankweil und schrieben sich Landgrafen in Rhätien. Mancher Sohn des Hauses saß zu Chur und zu Constanz als Bischof, oder als Würdenträger in der Abtei zu St. Gallen, und sogar ein Familienheiliger verherrlichte das Geschlecht, St. Johannes von Montfort nämlich, der von einer Kreuzfahrt nach Palästina heimkehrend 1176 zu Leukosia auf der Insel Cypern die frommen Augen schloß

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_103.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)