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Einigkeit eine Gesundheit getrunken. Wie dem auch sey, wir schliefen gut und erwachten des andern Tages in angenehmer Laune, nur der Wirth mit einem leichten Kopfweh, worüber er lächelnd bemerkte: das kommt von dem zu vielen Politisiren.

In der Frühe, als ich freundlich beschienen von der Morgensonne auf dem Montavoner Sträßchen dahinwandelte, fand ich eine Jungfrau, desselben Weges, die mir nach der Landessitte ein Gelobt sey Jesus Christus zum Gruße bot, worauf ich ihr: in Ewigkeit Amen zurückgab. Uebrigens schenkte mir das Mädchen auch sonst einige Ansprache und wir kamen von jenem frommen Beginn bald in weltliches Geplauder. Sie erzählte, daß sie in ungeheurer Ferne einen Bruder habe, wollte mir aber zuerst den Namen seines Aufenthaltortes nicht mittheilen, weil ich doch nicht wissen werde wo der sey; endlich aber nannte sie Astrachan in Rußland. Dort lebe und wirke er als Zuckerbäckermeister, schreibe alle Jahre einmal nach Hause und schicke auch zuweilen etwas Geld, da es ihm daselbst sehr gut ergehe.

An dieß Mädchen läßt sich die Bemerkung knüpfen, daß die Montavonerinnen im Schnitt des Gewandes von den Frauen der beiden Walserthäler wenig abweichen und daß sie gerne rothe Röcke und rothe Strümpfe tragen, wie die Weiber im innern Walserthale und bei den Sylviern, wie ehemals die Frauen in ganz Bünden, wo diese Farbe zuletzt im Unterengadein noch gesehen wurde – eine Farbe, die vielleicht mit der Nationalität selbst zusammenhängt und den romanschen Weibern insgesammt, diesseits wie jenseits des Rhätico, eigen war und welche dann wohl erst von ihnen auf die Frauen der Walliser überging. Auf dem Kopfe trägt das andere Geschlecht im Montavon einen Hut von Filz, der aussieht wie ein Männerhut ohne Krempe oder noch besser, wie die Mütze eines griechischen Pappas. Diese Dinger heißen Mäßlen und können den ganzen Haarwuchs aufnehmen und verbergen, wenn das Weibsen nicht vorzieht die langen Zöpfe hinten hinunter hängen zu lassen, was ziemlich oft zu sehen ist. Diese Mäßlen scheinen zu ihrer Zeit über ganz Vorarlberg, Paznaun und Lechthal verbreitet gewesen zu seyn, denn früher wurden auch,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)