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weißen Ferner sich abhob und in den blauen Himmel ragte. Das ist Similaun – wiederholten wir, um den Namen ja nicht zu vergessen – und schauten vorwärts schreitend immer wieder auf dieß stolze, stumme, trotzende Haupt mit dem niegesehenen Ausdruck von Größe und Wildheit.

Similaun, so schroff er scheint, ist dennoch schon etlichemale bestiegen worden. Er reizt dazu um so mehr als er nach der Wildspitze der höchste Grat ist im Oetzthaler Fernerstock und zwölfthalbtausend Fuß mißt. Der erste der seinen Scheitel betrat, war der Priester Thomas Kaaserer von U. L. Frau in Schnals. Es geschah im Jahre 1834. Ihm folgte der Landarzt von Algund bei Meran, Franz Rodi, der das Wagniß am 27 August 1839, aber bei sehr ungünstigem Wetter vollführte. Am 22 Junius 1840 bestieg der Nämliche die Spitze zum zweitenmale, willig gefördert und geleitet von den Schnalsern, die unten im Thale auch Böller aufstellten, und die kühnen Steiger, als sie den Gipfel erreicht hatten, mit Freudenschüssen begrüßten. Der Himmel war dießmal rein. Die Aussicht wird als unermeßlich geschildert; sie soll hinausgehen bis ins deutsche Reich und man will selbst bayerische Städte gesehen haben. Gegen Morgen zeigt sich der Großglockner, gegen Abend der Ortles und die Schweizergletscher, ja die kecken Männer behaupteten sogar der Montblanc sey ihnen erschienen. Die wimmelnden Eishäupter und Schneeköpfe in der Nähe sind gar nicht zu zählen. Uebrigens sieht man so weit oben oft viel mehr als man nachher den Leuten unten glaubbar machen kann.

So waren wir nahezu ans Ende des Ferners gekommen. Der Himmel hatte sich jetzt ganz aufgethan, die Sonne schien fast warm, und überhaupt glaubten wir zu merken daß sie in den Thälern den schönsten Tag gehabt, während wir da oben in und über den Wolken gegangen waren. Nunmehr öffnete sich auch das Land gegen Süden; nahe prächtige Ferner die sich gegen Schnals hinunterlagern, und hohe Gebirgsstöcke traten auf, lange zackige blaue Kämme, die weit und breit hinzogen nach Welschland oder zum Ortles, und unten wie in Meerestiefe lachte auch schon zu erquickender Herzensstärkung das grüne

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_249.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)