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eingerichtet und er kann sehr aushältig zechen. Er selbst, der Herr und Meister auf dem Hofe, trinkt natürlich nach Belieben; aber auch dem Durst der Knechte ist ein sehr weiter Spielraum gesetzt. In der Regel dürfen sie sich des Tages bis auf zwei Maß hinaufnippen, bei gewissen mühseligen Arbeiten aber, wie zum Beispiel beim Wässern, mögen sie zu sich nehmen so viel sie wollen. Dieses Wässern geht in kurzen Unterbrechungen durch die ganze schöne Sommerszeit. Die Anstalten dazu sind in den letzten Jahrzehnten allenthalben sehr vervollständigt worden. Ueberall ziehen kleine Canäle, welche, sobald sie die tiefgrünen Wiesen der Ebene erreicht haben, zwischen lispelnden Alleen von Weidenbäumen dahin rieseln. Die Wässer sind unter die Flurnachbarn nach bestimmten Zeitperioden vertheilt, die man Tag- und Nachtroden heißt; denn, je nachdem es trifft, fällt das ganze Geschäft in die Nacht. Da sind denn die Fallen aufzuziehen, Rasendämme aufzuwerfen, der Gang des Wassers zu leiten, und wenn die Zeit vorüber ist, die Fallen zuzulassen, die Dämme abzuschaufeln und das Bächlein wieder wohlbehalten dem Nachbarn zu überantworten – ein Inbegriff von sehr mühsamen und austrocknenden Arbeiten. Bei diesen Wässerungen werden auch oft die Fußwege in Mitleidenschaft gezogen und mancher Lustwandler, der des Abends unbesorgt ins Freie gegangen, findet bei der Heimkehr statt des trockenen Pfades, der ihn hinaus geleitet, einen murmelnden Bach, der ihn bis an die Knöchel netzt, wenn er ihm nicht auf Umwegen entkommen kann. Wer nun nachrechnen will, wird finden, daß ein tüchtiger, mit vielen Knechten und erwachsenen Söhnen versehener Bauer das Jahr hindurch eine ziemliche Anzahl von Ihrn zum Haustrank aufwenden darf. Bei manchen soll der Verbrauch bis auf 4000 Maß steigen und in ungünstigen Jahren das ganze Ergebniß der Güter kaum hinreichen um den Bedarf der Haushaltung zu decken.

Dem reichlichen Weingenuß im Etschlande entspricht indessen auch die feste Nahrung, und es ist gewiß eine richtige Bemerkung, daß der Bauer und sein Gesinde in den wenigsten Gegenden Deutschlands so gut und viel zu essen haben,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_335.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)