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trank und mir den Ort merkte. Ein paar Tage darauf kam ich wieder, denn in der Stadt hatte sich das Gerücht verbreitet, in Untermais würde eine Hochzeit seyn. Die kühle Halle des Wirthshauses war der herrschenden Hitze wegen eine sehr angenehme Warte, um die Anfänge der Begebenheit zu beobachten. Allmählich fuhren mehrere Caleschen vor, vom lustigen Posthorn angekündet und mit weidlich aufgeschmückten Gästen besetzt. Man wollte sich da gegenseitig erwarten, und so sammelte sich nach und nach eine ziemliche Anzahl von Leuten. Die Männer prangten in ihrem besten, schon erwähnten Sonntagsstaat, in braunen Jacken mit rothen Aufschlägen, rothen Leibchen, grünen Hosenträgern, schöngestickten, mit den Namensbuchstaben versehenen Gürteln, schwarzledernen Hosen, weißen Strümpfen und rothausgenähten Schuhen. Die „Buben“ trugen große grüne, die „Mander“ (Ehemänner) große schwarze Hüte, und diese wie jene und die der Postillione waren mit bunten Sträußchen verziert.

Etwas mehr vom gewöhnlichen Sonntagsputze abweichend war die Tracht der „Weiberleute.“ Sie bestand aus violetten, rotheingefaßten Spensern, dunkeln rothbeborteten Röcken, von denen die schneeweißen Schürzen kräftig abstachen, und auf den Häuptern saßen die alterthümlichen Spitzelhauben. Diese Spitzelhauben sind, wie der Name besagt, aus schwarzen Spitzen gefertigt und umgeben das Haupt wie ein leichtes durchbrochenes Dreieck, so daß zwei Strahlen von den Schläfen ausgehen und ein dritter vom Scheitel. Hinten ist eine Art Cocarde oder Blume von seidenen Bändchen angebracht, welche bei den Jungfrauen roth, bei den Frauen weiß und mit einer großen Silbernadel befestigt ist. Der ganze Anzug sieht sehr schmuck und kleidsam aus. Ehemals soll er gewöhnliche Sonntagstracht gewesen seyn, noch früher war er wohl Gewand des Werktages. Die Spitzelhaube insbesondre verräth uns manches über die Geschichte der Volkstrachten. Jetzt ist sie in Meran und Bozen nur mehr als belächelte altfränkische Erscheinung an etlichen hochbetagten Höckerinnen zu sehen, dagegen bei dem Landvolke noch als Putz für Festtage und hohe Zeiten in Gebrauch, deßwegen auch auf den Grabgemälden,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_341.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)