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Gewächsen und in den Beeten hin und her die seltensten Blumen, während auf ragenden Schäften verschiedene weißblinkende Bildsäulen sich erheben, welche eine Anzahl christlicher Tugenden darstellen. Der Garten ist sehr schön zu sehen, aber in seinen vielen Reizen schwer zu beschreiben, und daher erwähnen wir schleunigst daß Meister Mooser neben der Kunst des Häutegerbens noch, wie so unendlich viele von seinen Landsleuten, ein Geheimtalent, eine Liebhaberei zur linken Hand ausübt, vielleicht schon die zweite, wenn wir seine allerdings endemische Gartenmeisterschaft als die erste gelten lassen wollen – er ist nämlich ein vortrefflicher Schnitzler und zwar im Architektonischen. So arbeitet er nun schon seit langen, langen Jahren an einer Weihnachtskrippe, welche die kunstreichste werden muß die seit Christi Geburt errichtet worden. Mit den Männchen und Weibchen die da eines Tages die biblische Geschichte in plastischen Darstellungen vorüberführen sollen, beschäftigt er sich der angegebenen Richtung nach zwar nicht selbst, sondern läßt sie herstellen von andern ausgezeichneten Händen, aber desto emsiger baut er an der Stadt Jerusalem, die den breiten Hintergrund der Krippe in nie gesehener Pracht und Herrlichkeit einnehmen wird. Sklavische Nachahmung einer ohnedem längstvergangenen schwer zu bestimmenden Wirklichkeit hat er dabei nie angestrebt – er handelt im Geist der altdeutschen Maler, die ja auch nicht gefragt wie die heilige Stadt etwa ausgesehen. Sie malten sie in ihrer Sinnigkeit gothisch, wie Köln am Rhein, und so wird auch sein Jerusalem nicht das Jerusalem von Anno 1, sondern der Inbegriff und Ausbund von allem Schönen und Großartigen was die Baukunst, so weit sie dem Meister durch Selbstsehen oder bildlich zu Gesicht gekommen, bis auf den heutigen Tag geschaffen hat. Als er das Kunstwerk begann, hatte er lauter moskowitische Ideen im Kopf, moskowitische Ideen mit stark mohammedanischem Anflug, und er schnitzte Tempel und Burgen wie im Kreml, mit wunderlichen Thürmen und birnförmigen Kuppeln, über denen der rechtgläubige Halbmond prangt, und mit Fenstern und Portalen wie an den Moscheen zu Konstantinopel. Dann befiel ihn aber eine

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_385.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)