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dem Pilger, der da zwischen den Dörfern von Eppan hinzieht, beständig vor Augen liegt.

In Kaltern lebte also Fräulein Maria von Mörl, das fromme, kranke Mädchen, das in den Jahren 1833 und 1834 in ihrem Vaterlande und weit darüber hinaus so viel zu sprechen machte. Da ihre Lebensverhältnisse schon mehreremale ausführlich in Druck gegeben worden sind, so wäre es überflüssig, hier weitläufiges davon zu melden. J. Görres hat ferner ihren Zustand in seiner christlichen Mystik vom übernatürlichen, Professor Ennemoser in dem Buche über den Magnetismus vom natürlichen Standpunkte aus besprochen. Görres hat dazu die Mittheilungen von Personen benützt, die dem Fräulein von Jugend auf nahe gestanden. Es sind davon mehrere in der Gegend, die in ihren Angaben wenig abweichen. Auch eine geschriebene Erzählung ihrer Lebens- und Leidensgeschichte von vertrauter Hand haben wir durchgesehen. Fräulein Maria, die im Jahre 1812 geboren ist, war ein frommes, liebenswürdiges Kind, immer mehr leidend als gesund. Schon im fünften Lebensjahre stießen ihr bedenkliche Hämorrhagien zu und bis in ihr zwanzigstes hatte sie mehr als eine lebensgefährliche Krankheit überstanden. In diesem Alter traten jene innerlichen Plagen bei ihr ein, die man die tentatio diabolica nennt. Sie wurde ohne Unterlaß durch scheußliche Gestalten gequält, die sie bei Tag und Nacht durch das Zimmer schreiten sah, arme Seelen schleppend, die sie anschrien und ihr zuriefen: du bist verworfen und verdammt. Von denselben Phantomen, schwarzen, wilden Männern, meinte sie auch körperlich geplagt, geschlagen und gemartert zu werden. Diese Gesichte verschwanden indessen, als man im Jahre 1833 ganz in der Stille den kirchlichen Exorcismus angewendet hatte. Im nämlichen Jahre zeigte sich bei ihr auch die erste Ecstase, ein Zustand psychischer und physischer Abgezogenheit von äußern Einwirkungen. Damals blieb sie sechsunddreißig Stunden lang in solcher Verzückung. Der Ruf dieser wunderhaften Erscheinung verbreitete sich schnell über Nachbarschaft und Ferne, und im Jahre darauf schon war der Zulauf ungeheuer. Von Ende Julius bis zum 15 September sollen über 40,000 Menschen

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_398.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)