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im Rauthal 3826, St. Leonhard sogar 4355 Wiener Fuß über dem Meere liegt. Die Landwirtschaft des Thales gehört daher nicht zu den gewinnreichen und was der schlechte Sommer und der kalte Herbst verschont, das geht jezuweilen noch durch Erd- und Bergbrüche zu Grunde. St. Leonhard selbst liegt wie es ist auf solchem von den Höhen herabgekommenen Schutte, ja es läßt sich gleich von dem ganzen Thalgebiete sagen, daß wie Unterägypten ein Geschenk des Nils, so die fruchtbare Scholle ein Geschenk der Schrofen, ein späterer Bergbruch ist. Solcher Erdabsitzungen sind noch immer viele zu befürchten und in manchen Bergrevieren ist der Boden bis auf den heutigen Tag in beständiger Unruhe, klafft und öffnet sich, wirft dicke Wülste auf, trägt ganze Felder hin und her und bedeckt mit Schuttlawinen Wald und Wiesen, so daß mehr als einem Hofe der sichere Untergang vorauszusagen ist. Die jetzigen Dörfer sind zum Theil auf Schuttablagerungen erbaut, welche die Ortschaften, die früher da standen, überdeckt haben; ja in St. Vigil erinnert nach dem Abendgeläute ein besonderer Glockenschlag die Einwohner, daß ihre Häuser in uralten Zeiten schon zweimal durch einen Abfall des nahen Kalkberges bei nächtlicher Weile begraben worden sind. Bebaut wird die Scholle übrigens mit dem größten Fleiß, und wenn auch der Landmann mit schweren Lasten überbürdet ist, so hält ihn dieß doch nicht ab, jedes Fleckchen zu benützen. Die Sümpfe werden durch gutangebrachte Wassergräben urbar gemacht, manche jäh ansteigende Berghalde mit unendlicher Mühe zum Ertrag gezwungen. Auf vielen Feldern kann kein Pflug, kein Zugthier die Arbeit des Landmannes unterstützen, und wird dann alles mit der Haue gearbeitet. Das abrollende Erdreich und selbst größere

  Stegen San Simong, Ollang Val Daura, Taufers Düresch, Innichen San Ghiane (S. Candidus), Sillian Soriang, Lienz Lienza. Auffallend ist, daß im Innern des Thales selbst mehrere der bedeutendern Höfe deutsche Namen führen. So heißt sogar in dem entlegenen Corvara der Hof Arlara bei den Deutschen: zum Maier am Zirm.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_468.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)