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Zu Fügen im Hacklthurm sitzt zur Zeit Joseph Rainer, einer der berühmten Gesellschaft, die einst mit so ungeheurem Beifall den Zillerthaler Jodler in Großbritannien erschallen ließ. Nach der Zurückkunft von seinen Kunstreisen hat er den Hacklthurm, der ehemals ein adeliger Ansitz der Herren von Hackl war, käuflich an sich gebracht und zum Gasthofe eingerichtet. Es ist ein einstöckiges Gebäude mit einem niedlichen Garten, mit Lauben und einer grünen Veranda vor dem Hause. Englische Kupferstiche, Porträte, Seeschlachten, Fuchsjagden und ähnliche Vorstellungen hängen in allen Zimmern und erinnern an das Land, wo die Rainer groß geworden. Nachdem ich mich etwas in dem gastlichen Herrensitze umgesehen, ging ich, die Kirche zu betrachten. An der Außenseite ist jener vielbeweinte Leichenzug dargestellt, welcher zu Hall am 11 August 1838 gehalten wurde. Es waren nämlich damals die Compagnien des Landsturmes aufgeboten worden, um bei der Huldigung, die der Kaiser Ferdinand von der gefürsteten Grafschaft einnehmen wollte, in Innsbruck zu erscheinen. Die Fügener zogen nach Hall und ihrer dreizehn junge, schöne Bursche fanden eine Unterkunft in dem Hause des Gilgenbräus, das des Nachts einstürzte und sie alle erschlug. Ihre Leichenmäler stehen hier und dort auf dem Kirchhofe.

Nach diesem ging ich einen stillen Pfad dem Zillerbache zu, schritt über einen schmalen Steg und stieg dann die Anhöhe hinan auf den Hartberg. Es ist dieß eine mächtige Halde, vollkommen begrünt von der Wurzel an bis zum Joche, allenthalben mit Gehöften, mit Scheunen und Schoppen übersäet, mit Feld, Wiese und Wald in schöner Abwechslung gezirt. Hart, der Mittelpunkt, ist ein kleines, aus Kirche, Widdum und zwei Wirthshäusern bestehendes Dörfchen, in dessen steilen Fluren der Vicar eben lustwandelte, um der Abendluft sich zu erfreuen. Ich sprach ihn an und fand einen freundlichen Herrn, der mir die kleinen Sehenswürdigkeiten seiner Curatie gerne zeigte. Eine niedliche Einsiedelei, am Hange eines Tobels angelegt, mit Treppchen, Bänkchen und andern kleinen Hermitage-Anhängseln, ist nicht übel zu betrachten.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_547.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)