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Zillersthal hast einhi mögen. Darauf wandte er sich einem Andern zu, den er schon früher kennen gelernt, und bewillkommte auch diesen: O du mein lieber Freund von Schwaz, wie freut’s mi, daß i di wieder a mal sehen thue und was macht der alte gute Herr Vater? und endlich redete er uns alle zusammen an, wie wir ausgestiegen waren: O es lieben freundlichen Herrn! bekannt und unbekannt, grüß enk Gott viel tausendmal im Zillersthal. I moan, i soll enk alle kennen. Die Fremden sahen sich sämmtlich verwundert an, worauf denn jener Mitreisende aus Schwaz das Wort ergriff und sagte: Ja, meine Herrn, das ist der Nußbaumseppl, ein besonders guter und freundlicher Mann und es ist so seine Art.

Mir trat das Conterfei vor die Seele, welches neben dem Titelblatte von Peter Proschens Leben zu finden ist und ich meinte, im Nußbaumseppl zu Kaltenbach bei Ried das Abbild jener gutmüthigen freundlichen Züge zu sehen, die einst dem verwittweten bayerischen Hoftiroler angehört; freilich in etwas älterer Erscheinung, denn der Nußbaumseppl ist ein Sechziger und hat schöne weiße Haare, die angenehm um das gutgeröthete Gesicht spielen, welches ruhig auf einem weidlichen Kropfhals sitzt. Auch der milde, süße, singende Ton der Stimme, dachte ich mir, wird derselbe seyn, wie ihn der erste Handschuhhändler von Tirol verwendete, um sich im Auslande seine Bahnen zu brechen und bei Herren und Damen sein Glück zu machen; nur das Herz muß bei seinem zeitgenössischen Doppelgänger um ein Gutes muthiger seyn, sonst hätte er sich nicht solcher Ehren zu erfreuen, wie sie ihm, laut des Folgenden, noch heutzutage zu Theil werden.

Der Nußbaumseppl setzte sich nun aber zu uns – es war wohlgemerkt Sonntag und ihm nicht zu verargen, wenn er nebst seiner Gattin im Wirthshause saß – und erzählte, daß er mit dem rechten Namen Joseph Hellwart heiße und überm Bache drüben Haus und Hof, früher aber in der bayerischen Armee gedient und eine sonderbare Verehrung für seine ehemaligen Landsleute geschöpft habe. Mich hielt der heitere Tischgenosse zuerst für einen Mecklenburger und zwar der Mundart wegen, was nicht auffallen darf, da die Zillerthaler

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_562.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)