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der Hand und geleitet dich lächelnd zu einer lächelnden Höckerin, wo du ihm Zibebenbrod kaufen sollst; ein anderer bittet sich Birnen aus und andre, die theilnehmend herbeigesprungen, zeigen schmeichelnd auf die schönen Aepfel oder die süßen Zwetschgen, die daneben stehen. Ueberdieß findet sich vielleicht auch ein Mädchen, das sich beim Einblick in die offene Börse erinnert, wie gut ihr eine neue Hutschnur stehen würde, oder eine andre, die ein seidenes Halstuch wünscht. Du wirst allmählich etwas vorsichtiger, und so kann es kommen, daß du einem gebückten Greise, der dich mit dringender Herzlichkeit um ein Frackele Branntwein bittet, deine Hülfe aus dem billigen Grunde versagen mußt, weil du dasselbe Begehren in der letzten Viertelstunde schon einem halben Duzend andrer abgeschlagen hast. – Man sieht indessen, daß man da mit wenig Münze viel Gutes ausrichten kann, und so wird diese zillerthalerische Beutelust allerwärts einer wohlwollenden Beurtheilung um so eher entgegensehen dürfen, als es lediglich der gutmüthige Unverstand der Reisenden ist, was sie herbeigeführt hat.

Endlich wollen wir den Wanderstab wieder weiter setzen, hinüber ins Pinzgau, in die Krimmel, um von dort über den Tauern ins Pusterthal hinabzusteigen.

Eigentlich standen noch zwei nähere Wege offen, um nach Brunecken zu kommen, entweder über die Hundskehl oder das Hörnle, Hochjöcher am Ende einsamer, zuletzt wüster Thäler. Beide zogen weniger an, als der Krimmler Wasserfall und der Tauern mit seinem mystischen, vorzeitlichen Namen, der sich zu allen Zeiten so majestätisch in mein Ohr senkte. Beim Licht betrachtet bedeutet er freilich auch nicht mehr, als ein anderes Joch, nur daß dieß Wort erst da beginnt, wo das Pinzgau anfängt.

Es hatte sich eine gute Gesellschaft zusammengefunden, die desselben Weges war, nämlich zwei sächsische Studenten und ein bayerischer. Alle vier zusammen verließen wir an einem schönen Herbstmorgen das Hauptdorf des Zillerthales und gingen der Gerlos entgegen. Die Gerlos heißt das ganze Hochthal, welches die Verbindung zwischen den Gebieten des

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 577. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_585.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)