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Sie dauern längere Zeit des Jahres hindurch und werden mit großem Fleiße vorbereitet. Eine derselben, die im Mai 1844 stattfand, können wir hier beschreiben. Der Schauplatz war ein großer Saal, hinten mit zuhörenden Gymnasiasten besetzt, in der Mitte die Väter der Gesellschaft und einige Herren von Innsbruck, auf dem Ehrenplatze in einem Lehnstuhl der Gouverneur. Vor diesem öffnete sich die Arena, über welcher an der Wand St. Ignatius und Xaverius hingen und zwischen diesen die Mutter Gottes. Durch ein geschriebenes Programm, welches herumlief, wurden wir unterrichtet, was alles vorgehen sollte. Auf dem Kampfplatze standen sich gegenüber zwei Reihen von acht Knaben – Athener und Spartaner nannten sie sich – im Alter von eilf bis vierzehn Jahren, einer der untern Classen angehörend. Einige derselben trugen blauen Frack mit rothen Aufschlägen und einen Degen, was sie als Zöglinge der Theresianischen Ritterakademie bezeichnete. Der Streit war schon begonnen und spann sich fort wie folgt: Ein Kämpfer der einen Reihe las von einem Zettel einen deutschen, zur Uebersetzung bestimmten und daher mit einigen Schwierigkeiten versehenen Satz herab, den ein Krieger des andern Treffens lateinisch zu machen hatte. Der Herausgeforderte wiederholte den Satz, um zu zeigen, daß er ihn verstanden, und dann gab der Angreifer die lateinischen Worte, welche der andre gleichfalls wiederholte. Nun sollte der Satz lateinisch hergesagt werden. Traf es der erste nicht, so sagte der Aufgeber: Male dixisti, sequens! und so kam der Satz immer an den nächsten, bis er fehlerlos da stand. Die Leistung war keineswegs überraschend. Gewöhnlich gerieth die Aufgabe in die vierte und fünfte Hand, und den Satz: Als König Pyrrhus gehört hatte, daß einige Jünglinge schlecht von ihm geredet, erzürnte er so sehr darüber, daß er sie vor sich führen ließ – diesen Satz stellte erst der siebente fehlerfrei her. Nach diesen Ergebnissen konnte man sich unter anderm wohl fragen, warum hier das erste lateinische Lallen dieser unschuldigen Kinder dem Publicum unter einem Gepränge preisgegeben wird, das jedenfalls viel mehr verspricht

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 641. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_649.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)