Seite:De Heimatlos (Spyri) 018.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

im Spiel. Mit versöhntem Gemüte zog er jetzt seinen Beutel hervor: „Da ist ein halber Gulden, Rico, er gehört dir mit Recht. Nun fahr so fort und sei recht aufmerksam auf das Geigenspiel, solange du zur Schule gehst, so kannst du's zu etwas bringen, und in zwölf bis vierzehn Jahren wird die Zeit da sein, da du auch eine Geige anschaffen kannst. Jetzt kannst du gehen.“

Rico warf noch einen Blick auf die Geige, dann ging er mit der allertiefsten Betrübnis im Herzen.

Stineli kam hinter dem Holzstoß hervorgerannt: „Diesmal bist du aber lang geblieben, hast du gefragt?“

„Es ist alles verloren“, sagte Rico, und seine Augenbrauen kamen vor Leid so nah zusammen, daß ein dicker, schwarzer Strich war über die Augen hin. „Eine Geige kostet sechshundert Blutzger, und in vierzehn Jahren kann ich eine kaufen, wenn schon lange alles tot ist; wer wollte noch am Leben sein in vierzehn Jahren. Da, das kannst du haben, ich will's nicht.“ Damit drückte er den halben Gulden in Stinelis Hand.

„Sechshundert Blutzger!“ wiederholte Stineli voller Entsetzen. „Aber woher hast du das viele Geld hier?“

Rico erzählte nun alles, wie es gegangen war bei dem Lehrer, und endete wieder mit dem Worte des größten Leides: „Jetzt ist alles verloren.“

Stineli wollte ihm wenigstens seinen halben Gulden aufdringen als einen ganz kleinen Trost; aber er war ganz ergrimmt über den unschuldigen halben Gulden und wollte ihn nicht ansehen.

Da sagte Stineli: „So will ich ihn zu meinen Blutzgern tun und dann wollen wir das Geld alles miteinander teilen und alles gehört uns zusammen.“

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_018.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)