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ihr stand der Engel im weißen Kleide. Da ging der Priester hervor und sprach: „bist du von Gott oder der Welt gekommen? bist du ein Geist oder ein Mensch?“ „Nein, antwortete sie, ich bin kein Geist, sondern ein armer Mensch, von allen verlassen nur von Gott nicht.“ Der König sprach: „wenn du von aller Welt verlassen bist, so will ich dich nicht verlassen.“ Darauf nahm er sie mit in sein Schloß, ließ ihr silberne Hände machen, und weil sie so schön und fromm war, liebte er sie von Herzen und nahm sie zu seiner Gemahlin.

Nach einem Jahr mußte der König über Feld ziehen, da befahl er seiner Mutter die Königin und sprach: „wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl und schreibt mirs eilig.“ Nun gebar sie einen schönen Sohn, da schrieb es die alte Mutter eilig und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bach und schlief ein, da kam der Teufel, welcher der frommen Königin immer zu schaden trachtete und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand, daß die Königin einen Wechselbalg zur Welt gebracht hätte. Als der König den Brief las, erschrak er und betrübte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Königin wohl halten und pflegen, bis zu seiner Rückkunft. Der Bote ging mit dem Brief heim, ruhte an der nämlichen Stelle und schlief wieder ein, da kam der Teufel abermals und legte ihm einen andern Brief in seine Tasche, darin stand, sie sollten die Königin mit ihrem Kind tödten. Als die alte Mutter den Brief erhielt, erschrack sie heftig und schrieb dem König noch einmal

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_162.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)