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20. Die erste Kindheit Wolfdieterichs, wie sie die eigenthümliche Darstellung des, in Dresden handschriftlich sich befindlichen Heldenbuchs erzählt, verdient hier mitgetheilt zu werden, da sie ohnehin wie ein Märchen lautet und in der (Inhalt und Sprache nach so sehr verderbten) Ueberarbeitung noch das naive und lebendige der früheren Dichtung durchblickt.

Als Hugdieterich von der Heerfahrt heim kommt, wird ihm sein, während der Zeit geborenes, Kind entgegen gebracht; er freut sich, daß es so schön ist. Ein Einsiedel, der es christlich getauft, hatte ihm ein mitwachsendes Hemd gegeben, wodurch es gegen jede Gefahr, vor jeder Wunde, Wasser- und Feuersnoth gesichert war und jedes Jahr seine Kraft um Mannestärke wuchs. Das war heimlich geschehen, weil Hugdieterich, noch ein Heide, nichts davon wissen durfte. Jetzt war das Kind vier Jahr alt und schon so stark als vier Männer; wenn man ihm ein Brot gab und ein Hund wollte es ihm wegnehmen, so packte es ihn und schlug ihn an eine Wand. Der ungetreue Sabin nimmt von dem Gerede, das darüber entsteht, Anlaß, dem König den Ursprung des Kindes verdächtig zu machen, als sey es vom Teufel gekommen (ein vertauschter Wechselbalg?) und bringt es endlich dahin, daß er es will tödten lassen.

23.
König Hugo zu Puntung sprache: „heimlich must tödten mein Kind!

ich trag dirs aus dem Gemache, wenn sie entschlafen sind.“
Puntung, vor Schrecken rothe, sprach: „edler König rein,
ich will an seinem Tode wahrlich unschuldig seyn.“

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1819). G. Reimer, Berlin 1819, Seite LIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V2_A_053.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)