Seite:De Merian Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae 038.png

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4. Vri / Vry.

Etliche führen die Vrer / oder Uranios, von den Gothen / andere von den Tauriscis, her; Wiewol / wie sie sagen / der heutige Nam Vry wol von den Vren herkommen mag / so bey den alten Teutschen Stier geheissen / vnnd auch diß Land einen schwartzen Stierkopff / in einem gelben Feld / in seinem Wappen vnd Zeichen führet. Es gehören zu ihnen die Lepontii am Vrsprung der Rüß / so einen Bären im eigenen Paner führen / vnnd deren Haupt-Fleck Ursellae, Teutsch Vrseren / heist. Es erstrecket sich diß Land Vry gar vber den S. Gotthartsberg / so allenthalben mit Bergen vmbgeben / als da sein der Crispalt / die Merch / vnd Furcken / vnnd gegen Mitternacht ist der Lucerner See. Ist eyfferig Catholisch. Im Krieg führen die von Vri ein grosses Horn / vnd blasen das zu einem Zeichen / als ein Trommet / vnnd wird der / so zum Hornblasen bestelt ist / der Stier von Vry genannt. Welcher in den 6. Orthen / so man die Länder nennet / als Vry / Schwitz / Vnderwalden / Zug / Glaris / vnd Appenzell / einen Todtschlag begehet / ob woln er Gewalt mit Gewalt abtreibet / der muß auß dem Vatterland / vnd kan allein vom gantzen Volck die Widerkunfft erlangen. Wann er sich aber trunckener Weise etlich mal vbersiehet / so wird er nicht allein mit Gefängnus gestrafft / sondern ihme auch der Wein ein Zeitlang verbotten / biß er dessen / in offentlicher Zusammenkunfft / wider Erlaubnuß bekompt. Vor Zeiten sein in den 3. Landen / Vri / Schweitz vnnd Vnderwalden / von Königen vnnd Käysern / auch Vögte verordnet worden: Welche aber / in der Regierung das Land betreffend / sich keines Dings vnderwunden / sondern allein in Sachen so die Hochgericht belangeten / den Stab geführet haben. Dann neben den Land-Vögten / vnd der Herrschafft obbemelt / hat dieses Land immerdar ein besondere Ländliche Policey / vnd Freyheit gehabt / auch ihr Regiment für sich selbsten geführet / Vnd haben die Reichs-Vögte nit an diesen Orten / sondern auff ihren Schlössern gewohnet / vnd sein deß Jahrs ein / vnd das andermahl / wann man sie das Recht / sonderlich in Peinlichen Sachen zu sprechen / beruffen / dahin gereist. Als man sie aber folgends weiter treiben / vnd dem Hauß Oesterreich vnderwerffen wolte / da haben diese 3. Länder / Vry / Schweitz vnnd Vnderwalden / erstlich An. 1307. oder 8. einen Bund mit einander auffgericht / vnd sich in die Freyheit gesetzt / wie auch oben zeitlich vermeldet worden ist. Das Regiment betreffende / so haben die Vrer / an statt Burgermeisters / oder Schultheissen / ihren Amman / vnd werden nicht in Zünffte / oder Handwercksgesellschafften / sondern in gewisse (Theils sagen von zehen) Theil oder Gemeinschafften / so sie Gnossaminen nennen / abgetheylet. Vnd obwoln sie auch ihre Rathsherren haben / so ist doch der höchste Gewalt beym gantzen Volck / das von allen Orten zusammen kompt / darzu alle die / so vber 14. oder 16. Jahren seyn / erscheinen mögen / so Jährlich geschicht. Vnd wird so dann ein Amman (dessen Ampt gemeiniglich 2. Jahr wehret) vnd sein Vicarius oder Statthalter / wie nicht weniger der Rentmeister / die Schreiber / Rathsherren / Vögt vnd andere Beampte / erwehlet / vnd die alte bestättiget. Vnd werden in solchen Zusammenkunfften / die auch bißweilen extraordinariè geschehen / die Ordnungen / vnd Gesetz / vom gantzen Volck confirmirt / oder bestätiget / bißweilen auch abgethan. Neben diesem ist auch ein geheimer Rath / vnnd auch ein besonders Gericht / so zum Theil offentlich auff der Gassen gehalten wird. In Geistlichen Sachen ist Vry den Bischof von Costnitz vnderworffen; wie auch oben von der Eydgnoßschafft gesagt worden ist. Münsterus in Cosmograph. Stumpfius in Chron. Helvet. et Josias Simlerus de Rep. Helvetiorum.

Die vornembste Flecken dieses Lands Vry seyn / obgedacht Vrseren / Hospital / Gestinen / Syllenen / Attinghusen / sonderlich aber der herrlich- vnnd Hauptfleck / Haupt- vnnd Regierungs Ort / Altorff / darinn die Räth / Gericht / vnnd die Regierung deß Lands gehalten / vnd der von vielen Vry genannt wird: Da doch dieser Name dem gantzen Land / so keine eygene Stätt hat / gehörig ist.

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae. , Frankfurt am Main 1654, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Helvetiae,_Rhaetiae_et_Valesiae_038.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)