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Trügt mich mein weissagender Geist,
Trügt mich ahnende Klugheit nicht,
So kommt sie schon und meldet sich an,
In den Händen tragend gerechte Gewalt,
Die vergeltende Rache kommt – –
Sie wird kommen die vielfüßige,
Vielhändige, die noch lauscht in dunklem Hinterhalt
Die Erinnys mit dem ehrnen Tritt.

So singt der Chor bei Sophokles, b)[1] da über Agamemnons Tod die vergeltende Rache sich nahet; und in den Eumeniden des Aeschylus sind diese furchtbaren Unholdinnen so genau bezeichnet, daß niemand leicht sie mit dieser sittlichern Göttin verwirren könnte. Näher ist diese mit dem Begrif der Gerechtigkeit (δικη) verwandt, daher sie der Hymnus für ihre Beisitzerin und Tochter erkläret; aber auch mit ihr ist sie nicht ganz dasselbe. Die Gerechtigkeit hält die große Waage der Wiedervergeltung in ihrer Hand: sie


  1. b) Ηλεκτρ. ν. 474.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Zweite Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1786, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_II_(Herder)_242.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)