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 Die Fahne und der Teppich.

Zu Bagdad im Pallaste redet’ einst
Die Kriegesfahne so den Teppich an:
„Wir, Eines Herren Diener, Ich und Du,
wie anders gar ist unser Dienst und Lohn!
Ich, matt von Zügen, und mit Staub bedeckt,

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bin ohne Rast und Ruh, auf Reisen stets,

und allenthalben der Gefahr voran.
Du, fern von Wüsten, Staub, Gefahr und Müh,
von Schlachten fern und von Belagerung,
weilst hier am Hofe unter Jünglingen

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und Jungfraun, schöner als der schöne Mond

von Salben duftend, mir an Herrlichkeit
und Ehre weit voran. Ich, in der Hand
der Diener, jetzt der rauhen Winde Spiel,
jetzt eingefesselt und dahin gestellt. –“

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 036. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_054.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)