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der letzten, wir noch einen Reichthum der edelsten Samenkörner besitzen, deren die menschliche Seele und Sprache nur fähig seyn kann. Epiktets, Seneka’s Mark-Antonin’s und so vieler Anderer Schriften sind Schatzkammern dieser, der vortreflichsten menschlichen Sprüche und Sentenzen; der Geist derselben theilte sich der ganzen Literatur der Alten dergestalt mit, daß Dichter, Redner, Geschichtschreiber, Kunstrichter und Rechtsgelehrte daran Theil nahmen, und sich dadurch jenen Grundsatzreichen Ausdruck schuffen, ohne welchen alle Kunst und Gelehrsamkeit ein leerer Schatte bleibet. Man durchgehe die Sprüche, die Stobäus, Erasmus, Lipsius, Grotius, Neander und mehrere aus den Alten gesammlet, und denke an Sokrates, der, auch zu diesem Zweck des Euripides Schauspiele als eine Schule des thätigen Unterrichts anempfahl; ja man denke an den Stifter des Christenthums selbst, dessen Evangelien, außer wenigen Begebenheiten und Wundern, fast ganz aus kurzen Sprüchen und parabolischen Einkleidungen bestehen, wodurch

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_158.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)