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Name Vaterland, der in Hellas und Rom die Gemüther an einander band, und dort die öffentlichen Spiele, ja alle Plätze des heiligen Landes, hier die Hauptstadt der Welt und was zu ihr gehörte, gleichsam zum ewigen Schauplatz und Tempel der Unsterblichkeit weihte; vor allem aber die Gaben der Musen, die damals noch unter den Menschen wandelten, und das Gefühl eines ganzen Volks zu Einer Theilnehmung am Ruhm und der Unsterblichkeit ihrer Mitgenossen stimmten: dies alles konnte die Seelen der Mächtigsten, Würdigsten, Weisesten, Schönsten, gleichsam in ein höheres Element erheben, daß sie, mit Göttern und Heroen umgeben, sich auch ihrem Namen, ihrer Gestalt nach, gleichsam leibhaftig in der Zahl derselben fühlten, und die Schale der Unsterblichkeit schon bei Leibesleben tranken. Ohne dies Gefühl wären die Künste und Gesänge Griechenlandes und Roms nie so geehrt, geliebt, gesucht worden; ohne dasselbe hätte kein Homer und Pindar, kein Flaccus und Maro gedichtet, kein Apelles gemahlt, kein Phidias und Polyklet

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_169.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)