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und giebt ihr in der dramatischen Kunst mit allem Recht die oberste Stelle. Er will, daß diese Handlung ernsthaft, sodann vollständig sei, d. i. Anfang, Mittel und Ende, zugleich auch eine Größe habe, welches letzte Erforderniß er abermals mit vieler Vernunft erkläret. Ueber alles dies ist bei der Sakontala kein Streit: in ihr ist Handlung d. i. Verknüpfung der Begebenheiten zu Einem Endzweck von Anfange bis zu Ende. Die Handlung ist ernsthaft, vollständig, sie hat eine Größe; und da Aristoteles selbst sagt, daß diese sich nicht durch Regeln bestimmen lasse, sondern nach der Aufmerksamkeit der Zuschauer eingerichtet werden müsse: so können wirs dem Dichter Kalidas zutrauen, daß er diese für seine Zuschauer werde eingerichtet haben. Denn überhaupt verändert sich bei Dramatischen Stücken dies Maas der Größe nach Umständen, Gegenden, Zeiten. Uns dünkt zu lang, was unsern Vorfahren nicht also dünkte: ein mittelmäßiges

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_307.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)