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wie die der Gegenwart, mit „Eier- und Käsegaben“ um ihren Segen angegangen werden müßten[1]. Und überall, auch wo diese religiösen Vorstellungen heidnisch drapiert sind, ist die Absicht eine restitutio christianismi. Jetzt treten diese national gedachten Sehnsuchten unter das allgemeine Bildungsziel der erasmischen Philosophie, und die Deutschen fühlen sich berufen, in dem großen Kampf gegen die Mönchsbarbarei, zu dem Erasmus aufruft, den Vorstreich zu tun.

Doch hätte sich die Vereinigung der beiden Richtungen des Humanismus vielleicht nicht so schnell und so vollständig vollzogen, wenn nicht ein positiver Fall den Anlaß dazu gegeben hätte. Dies ist die wirkliche und große Bedeutung des Reuchlinschen Streits und seiner Durchführung als literarische Fehde in den Epistolae obscurorum virorum[2].

Denn an sich war ja der Anlaß zu diesem Streit – die Frage, ob man den Juden ihre heiligen Bücher wegnehmen und sie verbrennen oder sie zum Studium des Hebräischen verwenden solle, – so nichtig wie nur möglich, und Reuchlin war alles andere als ein Kämpfer. Wir können auch deutlich beobachten, wie die humanistische Umgebung Maximilians und ebenso der Mutiansche Kreis, wahrscheinlich aber auch Pirckheimer, zunächst Bedenken tragen, sich mit dieser Sache zu befassen. Die ästhetische Freude, die Reuchlin am Hebräischen empfand, teilten ohnedies nur wenige, mit seiner toleranten Schätzung der Juden stand er gerade in den humanistischen Kreisen fast allein. Aber als hinter den Ankläger

  1. Amores, Buch II, Stück 9, Nürnberg 1500: Ad Elsulam a priscis et sanctis Germania moribus degenerantem. Da heißt es:
    Horrida tunc rarus fuerat per rura sacerdos
    Terra peregrinis nec fuit acta deis.
    Sed druides castis cecinerunt carmina silvis,
    Carmina Teutonico quae placuere deo.
    Nemo Italos novit voluit nec nosse penates,
    Qui totiens nostris aera tulere plagis.
    Sed deus unus erat, a quo sunt nomina genti,
    Hic cultus patria religione fuit.
    Hic non poscebat sibi vendere caseum et ovum
    Nec butyrum nobis vendidit ille Deus.
  2. W. Brecht, Die Verfasser der Epistolae obscurorum virorum (Straßburg 1904) S. 76. Die Ergebnisse dieser ausgezeichneten Abhandlung sind von Boemer nur in Einzelheiten korrigiert worden. Vgl. oben. S. 457, Anm. 1.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_042.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)