Ueber das Wesen der Todtentänze
im Allgemeinen ist eine so reiche
Literatur vorhanden, und der Stoff
ist ein so manigfaltiger und dehnbarer,
daß wird diejenigen unserer Leser, welche
sich eingehender hiermit beschäftigen wollen, auf
jene verweisen müssen. Nur in der Kürze sei
hier erwähnt, daß die Entstehung der Todtentänze in
Deutschland das Product äußerst trüber politischer
und bürgerlicher Verhältnisse ist, und welchen das
Gemüth von allem Weltlichen sich abwendend
seinen Trost in der Ewigkeit suchte; das Produkt
einer Zeit, in welcher durch Kriege, Noth und
Pestilenz jeden Augenblick dem Sinnenmenschen
das Memento mori vor Augen gehalten wurde.
Einen wirklichen Tanz freilich in unserem
Sinne dürfen wir das Herantreten des Todes
an den Menschen nicht nennen; es ist vielmehr
blos die Aufforderung des personificirten
Todes zu einem rhythmischen Reigen, dem wir
uns alle ohne Ausnahme anschließen müssen. So
wenigstens sind die berühmten mittelalterlichen
Adolf Poinsignon: Der Todtentanz. Herder'sche Verlagsbuchhandlung, Freiburg 1891, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todtentanz_St._Michael_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)